Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3153 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3153 / 9133 Next Page
Page Background

[87]

123

soll. Darum wurde der Grundsatz der Gerechtigkeit von altersher

mit den Worten ausgedrückt: „Jedem das Seine“.

Die Gesellschaft hat den V o r r a n g vor dem Einzelnen, der

Glied ist — aber als solches Eigenleben besitzt — also durch das

Ganze nicht vernichtet wird. Das G a n z e i s t v o r d e m T e i l .

Der Wille des Staates wird jetzt nicht mehr zentralistisch, ato-

mistisch und mechanisch gebildet, sondern muß aus den Sacher-

fordernissen des staatlichen Lebens abgelesen werden, er ist also

überindividuell. S a c h v e r s t ä n d i g k e i t u n d F ü h r u n g sind

nun für jeden Lebenskreis notwendig. Die O r g a n i s i e r u n g

d e r e i n z e l n e n L e b e n s k r e i s e e r g i b t d i e Stände. Staat,

Kirche und Wirtschaft sind die wichtigsten Stände. A u c h d e r

S t a a t i s t e i n S t a n d . Seine Aufgaben werden daher wesens-

gemäß nicht von „Beauftragten“ der Masse (in Wahrheit den po-

litischen Parteien), sondern von einem staatstragenden, dafür we-

sentlich erzogenen Menschenkreise besorgt.

Die wichtigsten F o r m e n u n i v e r s a l i s t i s c h e r A u f f a s s u n g sind:

1.

Die Einheit von Kirche und Staat (Theokratie), wie sie in der alten Welt,

bei den Germanen und im Orient in verschiedenen Formen herrschte;

2.

die vollkommene Auffassung des Umversalismus ist sowohl in staatlicher

wie wirtschaftlicher Hinsicht die k ö r p e r s c h a f t l i c h - g e n o s s e n s c h a f t -

l i c h e , w e l c h e i m w e i t e s t e n S i n n e d e s W o r t e s d i e „ s t ä n -

d i s c h e “ z u n e n n e n i s t ;

3.

hiermit sehr verwandt ist die Auffassung des Staates als eines Organismus,

die grundsätzlich richtig ist, aber insofern fehlgeht, als sie mit physiologischen

„Analogien“ Ernst macht;

4.

der Sozialismus, der aber mehr Gemeinsamkeit des wirtschaftlichen Han-

delns als die geistige Seite im Auge hat und infolgedessen eine materialistische

und mechanische Entartung des Universalismus darstellt (Gleichheit!, Kollekti-

vismus!);

5.

die Sozialreform, welche in die gegenwärtige individualistische Wirtschafts-

ordnung durch organisatorische Maßnahmen zugunsten der benachteiligten Klas-

sen universalistische Bindungen einfügen will;

6.

ähnlich in geistig-kultureller Hinsicht der völkische Gedanke (Nationalis-

mus).

Aus all’ dem folgt: Universalismus ist nicht gleichzusetzen mit K o l l e k -

t i v i s m u s , das heißt S o z i a l i s m u s (welcher die Glieder atomisiert, das

Ganze mechanisiert); er ist auch nicht gleichzusetzen mit „ S o l i d a r i s m u s “

1

.

1

Über diesen vgl. oben S. 109.