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155

B.

Die Erziehung nach individualistischer Auffassung

Hierüber nur ein Wort der Kennzeichnung.

Der Grundbegriff des Individualismus ist bekanntlich die geistige

Selbstgenügsamkeit oder Autarkie. Da ihr zufolge das Innenleben

des einzelnen Menschen nur ihm allein angehören kann, kann auch

die Erziehung nur äußerliche Wechselbeziehungen der Menschen be-

deuten, sie kann also nur äußere Vermittlungen von Kenntnissen

sein, nur Unterricht. Daher sich denn auch Erziehungslehre und Er-

ziehungskunst im Laufe der individualistischen Entwicklung, seit der

Aufklärung, mehr und mehr in U n t e r r i c h t s t e c h n i k ver-

wandeln. Der Lehrer erscheint da gleichsam nur als eine Sprech-

walze, welche dem Schüler nützliche Wissensinhalte vermittelt. Er

gibt äußere Hilfe zur Selbsterziehung, die aber der Einzelne allein

vollbringen muß, um sich zur Persönlichkeit zu bilden! — Ferner

kann der Individualismus folgerichtig kein F ü h r e r t u m anerken-

nen. Die Regierung geht ihm vom Volke aus, also ist jedermann

Führer (die Regierenden sind nur „Beauftragte“), daher kann auch

niemand zum Führer erzogen werden. — Demgemäß muß auch die

Entscheidung über den Inhalt, über das Was der Bildung hier zu-

letzt dem Einzelnen überlassen bleiben. Folgerichtig ging denn auch

die individualistische Entwicklung dahin, möglichst vielerlei zu bie-

ten, um jedem zu überlassen, was er damit anfangen wolle. Das

führt schließlich zum Siege der „Realien“, zum Amerikanismus.

Daher ist die individualistische Erziehung wesentlich gemeinschafts-

los, das Führertum ablehnend, subjektivistisch, relativistisch, eklek-

tisch (überdies a-metaphysisch) — was alles zur bloßen Unterrichts-

technik hindrängt und die Frage des Inhalts der Erziehung, das

Erziehungsideal, möglichst in Schwebe läßt.

Gegen den Begriff der Unterrichtstechnik setzen wir vom ganz-

heitlichen Standpunkt aus, das sei gleich hier vorweggenommen, den

Begriff des B i l d u n g s - o d e r E r z i e h u n g s i d e a l e s . Die

Frage ist da: Zu was erziehe ich den Menschen? — das ist nun

die Hauptfrage der Erziehung! Allerdings widerspricht sie der indi-

vidualistischen Einstellung, welche, indem sie die geistige / Entschei-

dung grundsätzlich dem Einzelnen überlassen muß, eine objektive,

soziale Seite der Erziehung im geistigen Sinne — die das Erziehungs-