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darin, daß die sich eingliedernden Menschen den geistigen Gehalt
des Gebildes in sich selbst lebendig machen, erwecken müssen.
Die nähere Erklärung dieses Begriffes der Erziehung liegt in der
Ausgliederungsordnung der Gesellschaft, ein Begriff, den ich hier
als bekannt voraussetze
1
. Die Frage, die sich nun ergibt, lautet: /
1. W e l c h e n S t a n d o r t h a t d i e E r z i e h u n g i n d e r
A u s g l i e d e r u n g s o r d n u n g ?
Es zeigt sich, daß die Erziehung in der Ausgliederungsordnung
der Gesellschaft nicht vorkommt. Denn die ursprünglichen Bestand-
teile der Ausgliederungsordnung bilden die geistigen Inhalte (Reli-
gion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Sinnlichkeit, auch Sittlich-
keit) und die Gebilde des Handelns (z. B. als Staat und Wirtschaft).
Die Erziehung gehört also nicht dem ursprünglichen Bau und Ge-
füge der Gesellschaft an. Sie beruht vielmehr auf einer Naturtatsache,
nämlich darauf, daß Menschen sterben und neugeboren werden. Die
Eingliederung der neugeborenen Menschen (sowie allerdings auch
der Zugewanderten, das heißt die Gemeinschaft wechselnden Men-
schen) in die schon bestehenden Gemeinschaften und Gebilde ist
eben im engeren Sinne die „Erziehung“. (Im weiteren Sinne liegt
aber schon in jedem Gezweiungsvorgange eine Eingliederung, also
Erziehung vor.)
Da die Erziehung kein ursprünglicher Inhalt in der Ausgliede-
rungsordnung ist, bildet sie auch k e i n e n u r s p r ü n g l i c h e n
S t a n d . Sie ist vielmehr auf alle Stände und Gemeinschaften ver-
teilt, in denen die Eingliederung erfolgt. Die Erziehung begründet
nur einen Stand a b g e l e i t e t e r A r t .
Die Erziehung hat demnach ferner ihren Standort nicht in der
Ausgliederungsordnung, sondern in der Umgliederungsordnung.
Denn die Einfügung neuer Glieder in die Gesellschaft ist ja notwen-
dig stets Veränderung des Ganzen, stets U m g l i e d e r u n g .
1
Die Gesellschaft gliedert sich aus: nach T e i l i n h a l t e n oder T e i l g a n z e n
und nach S t u f e n .
Die Teilinhalte oder Teilganzen gliedern sich a) geistig in: Religion-Philosophie,
Wissenschaft, Kunst, Sinnlichkeit, Sittlichkeit; b) handelnd: besonders in die
Gebilde organisatorischen Handelns, ferner der Wirtschaft;
Die S t u f e n : a) geistige Stufen sind z. B. Kulturkreis, Volkstum, Stammes-
tum; b) handelnde: Staatenbund, Staat, Unterganzheiten des Staates; oder:
Weltwirtschaft, Volkswirtschaft, Betrieb.