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Bemühungen, eine s o z i o l o g i s c h e Betrachtungsweise systematisch
zu begründen, sollte man gerade eine Anlehnung an die alte Philosophie
suchen. Es ist nur teilweise richtig hierfür auf Comte zurückzugehen. Für
uns kommt die deutsche klassische Philosophie, vor allem Schelling und
Hegel, vielmehr für die Begründung einheitlicher sozialphilosophischer
Betrachtung in Frage, als die Comtesche und jede andere Lehre. War doch
das einzige Thema der Schellingischen und Hegelschen Philosophie die
Entwicklung der Welt, und der Gesellschaft (in der Geschichte), als ihres
Bestandteiles, somit eine auf das Ganze der Gesellschaft gehende
Betrachtung.
Außer dieser historischen Perspektive ist aber noch der Begriff der
Entwicklung, der nicht nur die organische Natur, sondern auch die
Geschichte und Gesellschaft umfaßt, bei Schelling wichtig. Das Nicht-Ich,
bei Fichte leer und entseelt, hat Schelling pantheistisch als die Darlegung
des Absoluten bestimmt. Damit ist die Welt aber als ein in steter
Entwicklung begriffenes Substrat angeschaut. Weil Hegel diesen Begriff
der Entwicklung aufgenommen und weiter durchgeführt hat, ist Schelling
schon als Brücke zwischen Fichte und Hegel wichtig. So erklärt sich auch
die Wiederholung jener Entwicklung, die wir heute durchzumachen im
Begriffe sind. Aus dem Studium Kantens, das, wie erwähnt, in der letzten
Zeit in Deutschland so eifrig gepflegt wurde und wird, hat sich von selbst
eine eindringliche Beschäftigung mit Fichte ergeben, so daß eine ganze
Schule die Fortentwicklung von Kant zu Fichte mitmacht. Wer aber heute
Fichte ernst nimmt, muß auch Schelling ernst nehmen. Es ließe sich wohl
zwingend dartun, daß die Schellingische Lehre in den meisten Punkten
nichts anderes ist, als das zwar selbständige, aber folgebeständige
Fortgehen von den Ausgangspunkten Fichtes, wenn auch zuletzt ein
völliges Umschlagen. Dies beweist auch die Entwicklung, die Fichte selber
später genommen hat.
Was die vorliegende Ausgabe von Otto Weiß anbelangt, so wird die
gebotene Auswahl dem Bedürfnisse genügen. Sozialphilosophisch
kommen besonders die Bände II und III in Betracht, wovon die Vorlesung
über die Methode des akademischen Studiums und das System des
transzendentalen Idealismus besonders hervorgehoben werden sollen. Ich
persönlich habe es allerdings als Mangel empfunden, daß die ohnehin
unvollendeten Arbeiten über Philosophie und