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vor Augen. Dem wird dann Marxens weitere Entwicklungsgeschichte
gegenübergestellt und seine Gesellschaftsbetrachtung definiert als eine
„unvollständige und einseitige Weiterbildung der Hegelschen
Philosophie“. Dem möchte ich grundsätzlich unbedingt zustimmen und
hervorheben, daß diese Erkenntnis nicht nur für das Verhältnis zu Kant
wichtig ist. (Wenn Marx so auf Hegelischem Boden steht, ist er als
Universalist im schärfsten Gegensatz zu Kant). Wenn aber Plenge
behauptet, Marx habe den Kern der hegelischen Lehre nicht völlig
verstanden, so kann ich den Beweis dafür bei ihm nicht erbracht finden,
wie überhaupt eine Gefahr für Plenge darin liegt, infolge einer gewissen
Unterschätzung von Marxens Begabung und Persönlichkeit vielleicht
doch manche Aufgabe der Aufhellung von Widersprüchen auf dieses
Nebengeleise der Persönlichkeit abzuschieben. Aber die innige
Abhängigkeit Marxens von Hegel in der Ethik, in der
Geschichtsauffassung, in der Dialektik wird von Plenge im einzelnen
nachgewiesen und mit Recht ganz in den Vordergrund gestellt; ferner
wird, was besonders wichtig ist, auch der entscheidende Einfluß von
Hegels Dialektik auf Marx als N a t i o n a l ö k o n o m e n aufgezeigt.
Überhaupt gehört die Untersuchung dieser Zusammenhänge wohl zu den
interessantesten Kapiteln der Geistesgeschichte des letzten Jahrhunderts,
denn sie betreffen eine Entwicklung, von der wir Heutigen, wenn auch
uns unbewußt, noch ganz abhängig sind. Das beweist recht deutlich auch
Vorländers Buch, welches, freilich von anderer Seite her, auf das Problem
losgehen will, und zu ganz anderen Ergebnissen, die meines Ermessens
allerdings grundsätzlich falsch orientiert sind, kommt.
So ist dem Werk Plenges, das seine Probleme frei und sogar bedeutend
behandelt, große Wirkung zu wünschen. Die große Klarheit in der
Darstellung, die bei aller Ausführlichkeit knapp ist, die Leichtigkeit in der
Sprache, die bei aller Strenge einfach und verständlich bleibt, werden ihm
dabei sehr zustatten kommen.
K a r l M a y e r - M o r e a u s kleine Arbeit schildert zuerst die
Entstehung der Hegelischen Sozialphilosophie eingehender. Diese
Schilderung ist geeignet, den Leser in die Hauptprobleme der
Sozialphilosophie einzuführen. Denn wie einerseits an Hand der
polemischen Schriften Hegels der Gegensatz zum naturrechtlichen
Individualismus erörtert wird, bringt die Hegelische Lehre selbst den
universalistischen Standpunkt nach allen Richtungen hin zur Be-