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widerstrebende Völker! Oder blicken Sie auf die alte Türkei, auf das
alte Rußland, wo die vielen Volkheiten endlich den Staat gesprengt
haben. Hinwider wohnten die Polen zwar in drei Staaten, Rußland,
Österreich, Deutschland, sind aber Eine Volkheit geblieben. Und so
wollen auch wir Deutsche, die wir durch den Friedensvertrag in
sieben oder mehr Staaten zerrissen wurden, Deutsche bleiben! —
Kann also auch die sehr große formende Bedeutung des Staates
für die Volkheit nicht geleugnet werden, so ist doch mit dem Staate
die Volkheit nicht selbst schon gegeben, beide sind nicht ein und
dasselbe. Der Heimatschein allein kann noch kein Volkstum schaffen.
Rasse: Es gibt mächtige Strömungen, welche die Rasse mit der
Volkheit u n m i t t e l b a r gleichzusetzen geneigt sind. Da können
wir aber nicht mitgehen. Es gibt kein Volk der Welt, das nicht eine
Mischung wäre. Deutschland selbst ist in bezug auf die Rasse ge-
mischt. Auch hier in dieser Versammlung sehen wir Blonde und
Braune, Langköpfe und Rundköpfe. Es ist also augenfällig, daß
auch wir eine Mischung sind, allerdings eng verwandter Bestandteile.
Aber auch über eine Mischung weniger verwandter Elemente hinweg
kann sich ein einheitliches Volkstum durchsetzen. Wie viele Rassen
sind zum Beispiel in Italien vorhanden: Im Süden neben der Ur-
bevölkerung die alten Griechen, Normannen, Sarazenen, im Norden
die Goten und Langobarden, dazu Römer, Etrusker, Samniter und
andere. Und doch tritt uns dort ein einheitliches Volkstum entgegen,
das auch in der Geschichte als Einheit wirkt. In Frankreich, in Eng-
land steht es ähnlich. Gar an den Slawen sehen wir handgreiflich die
Mischung mit gelbem Blute, die wohl wesentlichste Vorbedingung
ihres Volkstums, aber noch nicht dieses selber ist.
Wenn nun weder Staat noch Rasse noch Sprache unmittelbar selber
das Volksgut sind (so faßte es fälschlich der individualistische Lehr-
begriff auf, indem er durch Summierung einzelner Menschen mit
gleichen Merkmalen, z. B. der Sprache, der Rasse usw., zum Volks-
tum kommen will, statt vom Ganzen auszugehen); wenn diese drei
nur wesentliche Lebensformen oder Bedingungen des Volkstums
sind, so fragt es sich: Worin liegt denn u n m i t t e l b a r das Wesen
des Volkstums? Die Antwort lautet: V o l k s t u m b e r u h t a u f
g e i s t i g e r G e m e i n s c h a f t !
Staat, Sprache, Rasse sind wohl mächtige Bedingungen des Volks-
tums, oder von anderem Gesichspunkte aus betrachtet, auch sein