13
jeder Mensch gleichviel gilt; „Eine Regierung — Ein Volk“, so kann
man dies fassen, „Volk“ also nicht ständisch, nicht vielgliedrig, son-
dern aus „gleichen“ Atomen bestehend gedacht, daher nur Eine
Zentralregierung.
Der ständische Staat der Perser kennt natürlich keine äußerlich
gleiche Freiheit; hier, wo der Kriegerstand, der Gewerbestand, der
Bauernstand, jeder sein eigenes Wort spricht, ist politisch n i c h t
j e d e r g l e i c h v i e l w e r t . Der römische Staat (und nach ihm
der liberale Staat der französischen Revolution und überhaupt der
modernen Demokratie) war in geistiger Art ganz anders aufgebaut:
individualistisch, atomistisch, formalistisch, rationalistisch! — Der
preußische Staat vor dem Kriege war kein eigentlich konstitutioneller,
liberal-demokratischer Staat, sondern ein Beamtenstaat, somit doch
auch wieder eine Art von ständischem Staat, so gut es eben in einer
individualistischen Zeit ging. Die fürstliche Gewalt wurde gleichsam
an Fachkollegien, nämlich an fachkundige Beamte, übertragen. In
den äußerlich liberalen, atomistischen Parlamentsstaat wurde auf
diese Weise doch noch eine gewisse organische Gliederung hinein-
gebracht, eine sachliche, abgestufte Gliederung der Fürsten-, Beamten-
und Volksgewalten. Statt: „Ein Volk — Eine Regierung“ könnte
man hier sagen: „Viele, gegliederte staatliche Körper und auch eine,
aber g e g l i e d e r t e Regierung.“ Der echte körperschaftliche Staat
freilich, wie wir ihn im Mittelalter vor uns sehen, geht noch weiter
und sagt: Viele eigene Lebenskreise des Volkes (z. B. die Wirtschaft,
die Religion, der Staat) — viele eigene körperschaftliche Selbst-
regierungen, daher die Zünfte, die Kirche, der Staat sich verhältnis-
mäßig selbständig, ständisch, gestalten. (Über allen aber steht der
Staat als Höchststand.) — Der wirklich demokratische Staat dagegen
besitzt solche Gliederung, solche organische Abstufung nicht und
kann sie wegen der atomistischen Gleichheit der politischen Rechte
aller nie besitzen.
Diese drei Staatsvölker also haben den Staat in ganz verschiedener
Weise ausgebaut, völkisch verschiedene Staatlichkeiten hervorge-
bracht. Das zeigt, wie der Staat selber viel mehr eine Frucht, ein
Ausdruck, eine Auswirkung des Volksgeistes ist, als die Wurzel, die
den Volksgeist emportreibt, daß er n i c h t d a s V o l k s t u m
s e l b s t i s t . Und das Gleiche zeigt sich, wenn wir die Wirtschafts-
weise der Völker betrachten. Handelsvölker, Hirtenvölker leben