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„ordre naturel“ — zielt auf eine k l a s s e n l o s e G e s e l l -

s c h a f t ab, in der naturgemäß weder Unterdrückung der einen

Klasse durch die andere, noch überhaupt Klassenkampf besteht.

Denn nur durch Beseitigung der Klassen ist Klassenkampf und Unter-

drückung zu beseitigen. Durch diesen Gedanken drängt aller Indi-

vidualismus, Atomismus in der Gesellschaftsauffassung, ins Sittliche

gewendet, kraft der gegenständlichen Natur der Gesellschaft zur

Klassenlosigkeit. Klassenlosigkeit erscheint nun als das reine Bau-

gesetz der Gesellschaft.

Dies sind die Bestimmungsstücke der individualistischen Auffassung der Klasse.

Daß sie im Marxismus am reinsten ausgeprägt wurden, zeigt, wie dieser im

Grunde ganz individualistisch, wie wenig universalistisch (im echten Sinne „sozia-

listisch“) geartet ist.

C.

Die u n i v e r s a l i s t i s c h e E r k l ä r u n g

Von universalistischem Ausgangspunkte her sind die Voraussetzun-

gen für die Begriffsentwicklung völlig andere. Gesellschaft ist eine

Ganzheit, Ganzheit besteht aus Gliedern, die Einzelnen sind nicht

selbständig (selbstgeschaffen, autark), sondern bestehen bloß im Rah-

men ihrer Gliedhaftigkeit. Echte Ganzheit ist nicht als Zusammen-

stellung von Einzelnen, am wenigsten von stofflichen Einzelstücken

möglich; Gesellschaft in ihrer Ganzheit ist keine stoffliche, sondern

allein eine g e i s t i g e Ganzheit! Die Form aller geistigen Ganz-

heit aber ist: geistige Gemeinschaft zu sein. — (Beispiele für geistige

Gemeinschaft sind: Freundschaft, Liebe; Lehrer — Schüler; Mutter

— Kind; Schöpfer — Kritiker; Künstler — Zuhörer). In der gei-

stigen Gemeinschaft sind die Einzelnen nicht vorher (vor ihrer Teil-

nahme an dem Geistigen der Gemeinschaft) schon dasselbe, was sie

in der Gemeinschaft sind, ja sie existieren vor ihrem Gliedsein in

der Gemeinschaft überhaupt nicht, sondern erst im Gliedwerden

erlangen sie die betreffende geistige Qualität, welche zur Gemein-

schaftsteilnahme gehört. Zum Beispiel erlangt die Mutter Mütter-

lichkeit erst nach Maßgabe ihres Gliedwerdens in der geistigen Ge-

meinschaft Mutter — Kind, „Gemeinschaft“ ist auf solche Weise ein

Uberindividuelles und Primäres.

Diese Einsicht (1) in die absolut ganzheitliche, (2) vorherrschend

geistige Natur der Gesellschaft, (3) in die absolut gliedhafte Natur

der Einzelnen ist nach universalistischer Auffassung die Voraus-