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4.

Die Teuerung ist aus allen drei obigen Ursachen mehr oder weniger

gleichmäßig zu erklären, keine einzelne ist grundsätzlich vorherrschend:

Stephan B a u e r

1

, D i e h l

2

, A s h l e y

3

schätzt den Anteil der

Goldproduktionserhöhung an der Teuerung auf 5 bis 6% und macht

weiter dafür teils die Verminderung des Angebots an Rohprodukten

(Baumwolle

usw.),

teils

den

wirtschaftlichen

Aufschwung

verantwortlich; Adolph W a g n e r hebt daneben die relativ größere

Stärke der Angebotsseite im modernen Preiskampfe gegenüber der

Nachfrageseite (Konsumenten) hervor

4

.

Keine dieser drei Theorien (Kostensteigerungs-, Geldentwertungs-,

Konjunkturtheorie) vermag eine widerspruchslose Erklärung der

gegenwärtigen Teuerungsvorgänge zu geben, noch weniger aber eine

solche der großen Bewegungen in der Preisgeschichte.

Relativ geschlossen erscheint die Theorie der Geldentwertung, schon

weil sie alle Haupterscheinungen der Teuerung aus einem einzigen

Prinzip zu erklären unternimmt. Dennoch wird jeder, der guten Instinkt

für induktive Analyse wirtschaftlicher Zusammenhänge hat, gegen eine

Theorie mißtrauisch sein, welche Teuerungen und schließlich die ganze

Preisgeschichte mit ihren großen auf- und absteigenden Preiskurven

nicht aus dem inneren Gang der Wirtschaft heraus, sondern aus dem

Überfluß oder Mangel an Tauschmitteln erklären will. Eine Prüfung der

Theorie ist hier nicht beabsichtigt. Indessen sind schon die üblichen

Einwände sehr gewichtig: daß die jeweilig neu produzierte Goldmenge

bereits auf einen riesigen Geldvorrat treffe; daß heute große Goldmengen

(etwa ein Drittel der Produktion) in den industriellen Verbrauch

übergehen; daß im vorletzten Jahrzehnt durch Übergang einer Reihe von

Staaten zur Goldwährung und im letzten Jahrzehnt durch Aufnahme von

Gold in den Umlauf von Silberwährungsländern (Ägypten, Britisch-

Indien, Argentinien) der monetäre Goldbedarf sehr erhöht worden sei

5

;

endlich daß im letzten Jahrzehnt die Umsätze mehr

1

Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd 21, Wien 1912, S. 38

ff.

2

Karl Diehl: Zur Frage der Getreidezölle, Jena 1911, S. 142.

3

William James Ashley: Die Steigerung der Preise, übersetzt von Louis Katzenstein, in:

Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen

Reich, Jg 35, Leipzig 1911.

4

Adolph Wagner: Theoretische Sozialökonomik, Leipzig 1909, S. 245.

5

Genaue Zahlen hierüber bei A r t h u r R a f f a l o v i c h : Le marché financier, Paris

1910 f., S. 638.