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Die großen Linien der Bewegung lassen sich kurz durch die Londoner Indexziffern des
Economist (der Durchschnittspreis von 22 Waren 1845/50 = 2200 gesetzt) veranschaulichen:
J a h r e
I n d e x
J a h r e I n d e x
1845/50
2200
1905
2136
1857
2996
1906
2342
1870
2689
1907
2499
1880
2538
1908
2310
1890
2236
1909
2197
1895
1923
1910
2368
1900
2145
1. Jänner 1911
2503
Die Erklärung der beiden Perioden durch L e x i s
1
s e i als Beispiel für die
Argumentation der Konjunkturtheorie hier angeführt: „Die allgemeine Preis-
bewegung geht ... von den Waren selbst, nicht vom Gelde aus. Bis zur Mitte
der Siebzigerjahre b l i e b d i e m i t d e n n e u e n H i l f s m i t t e l n a u s -
g e s t a t t e t e P r o d u k t i o n n o c h h i n t e r d e r N a c h f r a g e z u -
r ü c k , namentlich auch deshalb, weil der Bau neuer Eisenbahnen und neuer
Maschinen eine noch fortwährend steigende Summe von Arbeitskräften und
Kapital in Anspruch nahm. Die natürliche Folge der außerordentlich erhöhten
Leistungsfähigkeit der modernen Verkehrs- und Produktionsmittel, nämlich die
Herabdrückung der Preise der Erzeugnisse ... konnte also damals noch nicht
hervortreten. D a n n a b e r e r r e i c h t e d i e i n d u s t r i e l l e A u s -
r ü s t u n g d e r K u l t u r w e l t e i n e n g e w i s s e n A b s c h l u ß und
zugleich trat die ... Konkurrenz des nord- und südamerikanischen und des
indischen Getreides mit voller Kraft hervor.“ Eine eng verwandte Erklärung
gibt W i c k s e 11
1 1 2
. Dagegen wurde die Preissenkung nach 1874 auf die Gold-
knappheit (bekannt ist Bismarcks Wort von der zu kurzen „Goldecke“) nament-
lich von den früheren Bimetallisten zurückgeführt, ähnlich wie von heutigen
Quantitätstheoretikern die jetzige Teuerung auf Goldüberfluß. Über die gegen-
wärtige Periode äußert sich L e x i s weniger bestimmt. „In der Industrie konnte
leichter (als in der Landwirtschaft) wieder ein Konjunkturwechsel eintreten, und
ihre Lage hat sich seit 1896 sehr befriedigend gestaltet... Die Preise stiegen
[und] ... waren ... sehr lohnend, da auch die Produktionskosten durch Ver-
besserungen der Technik ... vermindert sind.“ Die Steigerung der Goldpro-
duktion „mag den Aufschwung begünstige, aber ... keinen entscheidenden Ein-
fluß auf die Warenpreise ausgeübt haben“
3
. Die Ursache ist also wieder der Auf-
schwung. Aber: woher dieser? und: warum steigen die Preise trotz Verminde-
rung der Produktionskosten?
Das allgemeinste Ergebnis eines solchen Überblickes über die
Preisgeschichte ist: daß die Preise weder nach Abschluß der
großen Aufschwungsperioden noch nach Absorbierung der neuen
Edel-
1
Wilhelm Lexis: Artikel Preis (Neuere Zeit), in: Handwörterbuch der
Staatswissenschaften, Bd 6, 3. Aufl., Jena 1910, S. 1182 ff. (im Original nicht gesperrt).
2
Knut Wicksell: Geldzins und Güterpreise, Jena 1898, S. 159 ff.
3
Wilhelm Lexis: Artikel Preis (Neuere Zeit), a. a. O., S. 1185.
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