353
Das alte physiokratische Bestreben, die volkswirtschaftlichen Vorgänge
grundsätzlich unter Ausschaltung des Geldes verständlich zu machen,
sollte in unserer Wissenschaft wieder mehr als bisher zu Ehren kommen.
Besonders Preisvorgängen gegenüber ist dieses Verfahren geboten, um das
von Seite der Umlaufsmittel her Bedingte gegenüber dem den primären
wirtschaftlichen Bestrebungen selbst Innewohnenden (Autogenen)
reinlich scheiden zu können.
Auf entschieden richtigerem Wege scheinen mir daher jene
Volkswirte, welche in der aufsteigenden wirtschaftlichen Entwicklung
selbst die primäre Ursache von Preissteigerungen sehen. Man kann diese
Ansicht kurz als Erklärung der Teuerung aus der Konjunktur bezeichnen.
Teuerungen und ansteigende geschichtliche Preisbewegungen sind aber,
wie die Begriffe „Konjunktur“ und „aufsteigende Entwicklung“ heute
gefaßt werden, nur erklärbar, solange die Nachfrage mehr steigt als das
Angebot. Einmal fällt dann alle Last auf die Erklärung der Konjunktur
zurück. Sodann aber müßten die Preise, wenn die Konjunktur wieder
abflaut, auf die frühere Ebene zurücksinken. Dieser Einwand gilt sowohl
für die Konjunkturtheorie, wie für die Geldentwertungstheorie:
w a r u m k e h r e n d i e P r e i s e n i c h t a u f i h r a l t e s
N i v e a u z u r ü c k , nachdem entweder die Konjunktur abgeflaut ist
oder der gesteigerte Verkehr die neuen Goldmengen absorbiert hat?
Zur Verdeutlichung dieses Einwandes sowohl, wie der übrigen Erörterungen sei ein
schematischer Überblick über die Preisgeschichte hier gestattet. Bekanntlich sind hier
folgende Hauptperioden zu unterscheiden
1
:
1.
Preissteigerungen vom 8. bis Mitte des 14. Jahrhunderts (ca. 700 bis 1350); damit
zugleich: hohe Edelmetallproduktion und aufsteigende Entwicklung (Stadtwirtschaft,
Kolonisation des Ostens).
1
Vgl. dazu J a m e s A . R o g e r s : A History of Agriculture and Prices in England
from 1259 to 1793, Oxford 1866; derselbe: Geschichte der englischen Arbeit, deutsch von
Rudolph Pannwitz, 2. Aufl., Stuttgart 1906. —- G e o r g W i e b e : Zur Geschichte der
Preisrevolution des 16. und 17. Jahrhunderts, Leipzig 1895. — T h e o S o m m e r l a d :
Artikel Preis (Geschichte, Mittel- alter), in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften,
Bd 6, 3. Aufl., Jena 1910, S. 1168 ff. — W i l h e l m L e x i s : Artikel Gold und
Goldwährung, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd 5, 3. Aufl., Jena 1910, S.
32 ff.; derselbe: Artikel Silber und Silberwährung, in: Handwörterbuch der
Staatswissenschaften, Bd 7, 3. Aufl., Jena 1910, S. 502 ff.; derselbe: Artikel Preis (Neuere
Zeit), in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd 6, 3. Aufl., Jena 1910, S. 1182 ff.
— O t t o S c h m i t z : Die Bewegung der Warenpreise in Deutschland von 1851 bis
1902, Anhang: Der Weizenpreis von 400 v. Chr. bis 1900, Berlin 1903.
23 Wirtschaft und Gesellschaft