I. Die Wortbedeutung. Die Wichtigkeit der individualistischen und
universalistischen Grunderklärung der Gesellschaft
Das Wort Universalismus (von universus, zum einen gewendet,
einheitlich, ganz, gesamt) bedeutet die Auffassung der Gesellschaft
als Einheit oder Ganzheit. Es kann in seiner allgemeinen Bedeutung
gleichgestellt werden den Bezeichnungen „organische Auffassung
der Gesellschaft“, „Kollektivismus“, „Sozialismus“ (wenn man die
wörtliche Bedeutung dieses Ausdruckes, von societas „Gesellschaft“
ins Auge faßt, nicht die herkömmliche Sonderbedeutung, die mit
einem bestimmten Parteiprogramm verbunden ist), „Überindi-
vidualismus“,
„Uberpersonalismus“,
„Transpersonalismus“.
Zu
deutsch kann man Universalismus mit „Ganzheitslehre“ wieder-
geben.
„Individualismus“ und „Universalismus“ werden im heutigen
Schrifttum der Gesellschafts- und Volkswirtschaftslehre in der Regel
als analytisch wertlose, unfruchtbare und lediglich der „Weltanschau-
ung“ entspringende Theorien betrachtet. Dieser Standpunkt ist
unhaltbar und entspringt jener induktiven, naturwissenschaft-
lichen Einstellung, wie sie seit Comte und den sogenannten Klassi-
kern der Volkswirtschaftslehre überall herrschend geworden ist, und
die auch dadurch gekennzeichnet ist, daß sie sich nicht eingestehen
will, wie sehr sie selber durch und durch individualistisch ist. In
Wahrheit ist die Entscheidung über die individualistische oder uni-
versalistische Grunderklärung der Gesellschaft ganz u n v e r -
m e i d l i c h , und sie leitet sich nicht aus „Weltanschauungen“, son-
dern rein analytisch aus der Gegebenheit der gesellschaftlichen Er-
scheinungen her. Allerdings führt sie hinterdrein zu philosophischen
Folgerungen. Und da eine Geisteswissenschaft wie die Gesellschafts-
lehre und Volkswirtschaftslehre mit Philosophie nun einmal not-
wendig verbunden ist, ist es auch unvermeidlich, daß diese philoso-
phischen Folgerungen ihrerseits wieder die sachliche Forschung beein-
flussen oder ihr als Voraussetzung dienen. Dennoch ist sie in sich
selbst eine rein analytische Theorie, die sich stets auf ihrem eigenen
Sachgebiete zu bewähren hat.
Die individualistische oder universalistische Gesellschaftserklärung