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Der Mensch, als geistiges Wesen betrachtet, ist nur in Gezweiung

möglich! Als Einzelner, als Abgetrennter („Absoluter“) kann der

Mensch nur physiologisch gedacht werden; geistig erscheint er

immer und notwendig als Gezweiter. Alles Geistige im einen Men-

schen hängt an Geistigem in einem anderen Menschen, es ruht als

Glied in höheren, überindividuellen Ganzheiten, und zuletzt in

Gott

1

.

Ist die Tatsache, daß geistige Gemeinschaft oder Ganzheit Grund

und Wesen aller gesellschaftlichen Erscheinungen ausmacht, einmal

anerkannt, dann ergibt sich von selbst, daß die erstwesentliche Wirk-

lichkeit in der „Gesellschaft“ liege und der Einzelne erst das in ihr

abgeleitet (weil gliedhaft) Entstehende sei. Der Einzelne ergibt sich

jetzt nicht als selbstwüchsig (autark), sondern als Glied, die Ge-

sellschaft nicht als Haufen, sondern als Ganzheit, die sich a u s -

g l i e d e r t . Die Ganzheit besteht wohl aus Einzelnen, aber sie

besteht nicht d u r c h die Einzelnen; sondern die Einzelnen be-

stehen durch sie, die die Lebensbahn, die Lebens f o r m des Ein-

zelnen darstellt.

III.

Der Begriff der Gesellschaft und des Einzelnen.

Das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft

Während für den Individualismus der Einzelne die ursprüngliche

Wirklichkeit ist, und das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft

nur ein solches äußerer Nützlichkeit, mechanischer Hilfe, verhält

sich dies alles nunmehr umgekehrt. Dem Universalismus ist die Ge-

sellschaft als Ganzheit das Erstwesentliche, nach dem Satze: das

Ganze ist früher als der Teil. Der Einzelne hat nun, obzwar Indi-

vidualität und Würde der Person unangetastet bleibt, in dem Sinne

nur abgeleitete Wirklichkeit, daß alles Geistige in seinem Dasein die

1

Die Gottesgemeinschaft begründet nicht Individualismus, wie die Theologie

heute so oft fälschlich annimmt, sondern A b g e s c h i e d e n h e i t . Abgeschie-

denheit verneint nicht die Gezweiung sondern begründet sie. „Abgeschiedenheit

ist vor Gezweiung“. Näheres hierüber in meinen Büchern: Gesellschaftslehre,

2. Aufl., Leipzig 1923, S. 184 ff. (jetzt: 4. Aufl., Graz 1969, S. 227 ff. = Ge-

samtausgabe Othmar Spann, Bd 4); Kategorienlehre, Jena 1923, S. 243 ff. und

283 ff. (jetzt: 3. Aufl., Graz 1969, S. 222 ff. und 258 ff. = Gesamtausgabe Othmar

Spann, Bd 9).