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gung, die sogenannte „zentrale Planwirtschaft", niemals eine durch-
gehende werden.
Bei der Beurteilung der m a t e r i a l i s t i s c h e n
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s c h i c h t s l e h r e Marxens begegnen wir derselben Erscheinung
wie bei der Wirtschaftslehre: Es gibt fast niemanden, der auch nur
einen ihrer Sätze (die übrigens mangels einer systematischen Behand-
lung des Gegenstandes durch Marx nur schwer faßbar sind), voll-
kommen annähme, aber alles stets unter dem Banne dieser Lehre.
Als ersten Bestandteil des geschichtlichen Materialismus haben wir
die Umweltlehre (Milieulehre) erkannt. In ihr steckt ein wunder-
licher Pseudo-Universalismus. Denn die Annahme, daß Denken und
Gemüt rein nichts anderes wäre als eine Abspiegelung, eine eindeu-
tige mathematische Funktion der Umwelt, ist in sich widersinnig,
macht das Denken zu einem dinglichen, materiellen. Nicht nur das
ist falsch; der Grundwiderspruch der Umweltlehre liegt bereits im
Begriff der Umwelt selbst. „ U m w e l t “ i s t s c h o n e i n r e i n
g e i s t i g e r B e g r i f f , schon eine geistige Schöpfung, denn zur
„Umwelt“ wird mir wohl nur das, was ich erstens selbst geistig er-
kenne und empfinde, und zweitens als bedeutsam für mich davon
auserwählte. Ob ich einen Boden zu Jagd, Ackerbau oder Weinbau
verwende — nur ich bin es, der ihn zu solcher jagdlicher usw. Um-
welt stempelt, ihm seinen besonderen „Milieu-Wert“ verleiht. Wie
man die Sache auch dreht, immer wird man finden, daß der indivi-
duelle Geist nur als produzierender gedacht werden kann, allerdings
bloß nur auf Grund eines Uberindividuellen. Es ist zwar kein Pro-
metheus, kein Fierakies, mit einem Wort, keine autarke Geistigkeit,
weil sein Hervorbringen nur im Teilhaben an einem Ganzen ge-
schieht. Aber er darf darum nicht seiner ihm zukommenden aktiven
Realität als eines Geistigen beraubt werden.
Eine eng mit der Milieulehre zusammenhängende Lehre ist Mar-
xens Begriff der „Ideologie“. Er besagt, daß der geistige Inhalt, die
Ideenwelt einer Gesellschaft, z. B. das Recht, die Religion, die Wis-
senschaft, die Kunst, jeweils nicht grundsätzlich einen neuen Wahr-
heitsgehalt darstelle, sondern nur der „Überbau“ über den jeweili-
gen wirtschaftlichen „Unterbau“ ist, die eindeutig bestimmte, ab-
hängig variable Funktion des wirtschaftlichen Faktors; und daß sie
im besonderen der Spiegel der wirtschaftlichen Interessen der herr-
schenden Klasse sei. Diese Auffassung ist im schlimmsten, im primi-