I. Worterklärung
Für „Eigennutz“ wird in unserer Wissenschaft auch das neulatei-
nische „Egoismus“ (von ego, ich) oder die Bezeichnung „Selbst-
interesse“ gebraucht. Wirtschaftlicher „Eigennutz“ in dem Sinne, wie
ihn die individualistischen Klassiker in unsere Wissenschaft ein-
führten
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, will nicht eigentlich ein Begriff der Sittenlehre sein, son-
dern ein Grundbegriff der individualistischen Wirtschaftsauffassung.
Nach ihr besteht die Wirtschaft zuletzt lediglich aus den Handlun-
gen der Einzelnen, die ihrem W e s e n n a c h durch die Rücksicht
auf ihre persönlichen Ziele (ihre eigene wirtschaftliche Wohlfahrt)
bestimmt seien. Nach universalistischer Auffassung dagegen ist der
Eigennutz wesenswidrig, da er das Subjekt vom Ganzen trennt
(wie später zu zeigen sein wird).
Den Gegensatz zum Eigennutz bildet in der Sittenlehre der
A l t r u i s m u s . Altruismus ist ein von Auguste Comte eingeführ-
ter Ausdruck, der von dem französischen autrui, andere, kommt,
mit Rückbildung ins Lateinische alter, und Nächstenliebe, Selbstauf-
opferung bedeutet. Wenn auch das Wort „Altruismus“ erst von
Comte eingeführt wurde, so ist der Begriff in der Sittenlehre doch
ebenso alt wie jener des Egoismus. Insbesondere kennen die Philo-
sophen der Aufklärung, vor allem auch Adam Smith, diesen Begriff
unter dem Namen der „Sympathie“, der „sozialen Triebe“ oder
ähnlichen Bezeichnungen.
Der empiristische Begriff des Altruismus (wobei „Empirismus“
hier wie später im weitesten Sinne zu verstehen ist und auch Sen-
sualismus, Utilitarismus, Positivismus, Hedonismus, Eudämonismus
und alle ähnlichen Richtungen mit umfaßt) gehört im letzten
Grunde derselben Sittenlehre an wie der Begriff des Eigennutzes
selbst, da auch der Altruismus nur die moralischen Gefühle (fellow-
feeling bei Adam Smith), die sozialen Triebe, kurz nur Z u s t ä n d e
d e s S u b j e k t s zur Grundlage der Moral macht. Im Sinne der
Philosophie der Aufklärung und der ihr nachfolgenden modernen
Schulen des Positivismus, Utilitarismus, Materialismus ist daher das
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Siehe Abschnitt II, unten S. 173 ff.