Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3598 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3598 / 9133 Next Page
Page Background

166

tiven Sinne des Wortes philosophischer Materialismus. Sie verkennt,

daß notwendig schon der Unterbau, die Wirtschaft, „ideologisch“

durchwirkt ist, schon selber etwas Geistig-sittliches voraussetzt. In

der kapitalistischen Wirtschaft z. B. ist schon das Privateigentum mit

inbegriffen als „Recht“, ist „Rechtsordnung“ schon v o r a u s -

g e s e t z t ; „Recht“ ist also hier kein „Überbau“, sondern eher

„Unterbau“ der Wirtschaft. Marxens Materialismus verkennt fer-

ner, daß das Geistige allein Führung und Agens der Weltgeschichte

ist. H e g e l sagt: „Die Philosophie ist das innerste der Welt-

geschichte“, Marx selber bekennt, daß er diese Auffassung genau

umkehrt, indem der wirtschaftliche Mechanismus das Erste, der

Ideengehalt das von diesem Abhängige sei.

Ein weiteres Dogma ist das des K l a s s e n k a m p f e s . Ist der

Ideengehalt der Zeiten nur Klassenideologie, so der Fortgang der

Weltgeschichte Klassenkampf, meint Marx und glaubt, auch hierin

Hegel zu übertrumpfen. Denn bei Hegel war es ein inneres Moment

geistiger Art. Hier soll es der substanzielle Gegensatz der Klassen

sein, der als wirtschaftlicher Klassenkampf ja wieder nur ein Auf-

einanderprallen der Materie ist. Wie sehr aber die Geschichte selbst

dieser ganzen Auffassung widerspricht, zeigen Zeiten wie die Kreuz-

züge, wie Renaissance, Humanismus und Reformation, in denen

r e i n e I d e e n b e w e g u n g e n d a s J a h r h u n d e r t f ü h -

r e n und wirtschaftliche Gegensätze selbst der heftigsten Art (wie

die Bauernkriege) zur Reformationszeit ganz in den Hintergrund

treten.

Ganz mangelhaft ist übrigens bei Marx der Begriff der „Klasse“

selbst. Die Klasse wird nämlich von ihm rein individualistisch

erstens als eine Anzahl Einzelner und zweitens als eine rein wirt-

schaftliche Summe gefaßt, und zwar soll es in der kapitalistischen

Gesellschaft im Grunde nur eine Proletarierklasse und Kapitalisten-

klasse (Bourgeoisie) geben. Da nach Marx die Geistigkeit dieser

Klassen sich aus ihrem wirtschaftlichen Charakter ergibt, müßte gei-

stige und wirtschaftliche Klassenbildung zusammenfallen. Hier ist

wieder a l l e s fehlerhaft. Vor allem ist schon die atomistische Auf-

fassung der Klasse falsch. „Klasse“ kann nur als organisches Glied

der Gesellschaft gefaßt werden, das heißt als Stand, nicht aber als

Gruppe, die durch Summierung entsteht. Ferner ist selbst die rein

wirtschaftliche „Klassenbildung“ durchaus keine einheitliche. Schon