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tiven Sinne des Wortes philosophischer Materialismus. Sie verkennt,
daß notwendig schon der Unterbau, die Wirtschaft, „ideologisch“
durchwirkt ist, schon selber etwas Geistig-sittliches voraussetzt. In
der kapitalistischen Wirtschaft z. B. ist schon das Privateigentum mit
inbegriffen als „Recht“, ist „Rechtsordnung“ schon v o r a u s -
g e s e t z t ; „Recht“ ist also hier kein „Überbau“, sondern eher
„Unterbau“ der Wirtschaft. Marxens Materialismus verkennt fer-
ner, daß das Geistige allein Führung und Agens der Weltgeschichte
ist. H e g e l sagt: „Die Philosophie ist das innerste der Welt-
geschichte“, Marx selber bekennt, daß er diese Auffassung genau
umkehrt, indem der wirtschaftliche Mechanismus das Erste, der
Ideengehalt das von diesem Abhängige sei.
Ein weiteres Dogma ist das des K l a s s e n k a m p f e s . Ist der
Ideengehalt der Zeiten nur Klassenideologie, so der Fortgang der
Weltgeschichte Klassenkampf, meint Marx und glaubt, auch hierin
Hegel zu übertrumpfen. Denn bei Hegel war es ein inneres Moment
geistiger Art. Hier soll es der substanzielle Gegensatz der Klassen
sein, der als wirtschaftlicher Klassenkampf ja wieder nur ein Auf-
einanderprallen der Materie ist. Wie sehr aber die Geschichte selbst
dieser ganzen Auffassung widerspricht, zeigen Zeiten wie die Kreuz-
züge, wie Renaissance, Humanismus und Reformation, in denen
r e i n e I d e e n b e w e g u n g e n d a s J a h r h u n d e r t f ü h -
r e n und wirtschaftliche Gegensätze selbst der heftigsten Art (wie
die Bauernkriege) zur Reformationszeit ganz in den Hintergrund
treten.
Ganz mangelhaft ist übrigens bei Marx der Begriff der „Klasse“
selbst. Die Klasse wird nämlich von ihm rein individualistisch
erstens als eine Anzahl Einzelner und zweitens als eine rein wirt-
schaftliche Summe gefaßt, und zwar soll es in der kapitalistischen
Gesellschaft im Grunde nur eine Proletarierklasse und Kapitalisten-
klasse (Bourgeoisie) geben. Da nach Marx die Geistigkeit dieser
Klassen sich aus ihrem wirtschaftlichen Charakter ergibt, müßte gei-
stige und wirtschaftliche Klassenbildung zusammenfallen. Hier ist
wieder a l l e s fehlerhaft. Vor allem ist schon die atomistische Auf-
fassung der Klasse falsch. „Klasse“ kann nur als organisches Glied
der Gesellschaft gefaßt werden, das heißt als Stand, nicht aber als
Gruppe, die durch Summierung entsteht. Ferner ist selbst die rein
wirtschaftliche „Klassenbildung“ durchaus keine einheitliche. Schon