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„altruistische Gefühl“ zuletzt doch nur eine Abart des subjektiven
Lustgefühls, also des Eigennutzes, und die altruistische Sittenlehre
schließlich nur eine egoistische, die zur Erhöhung der Lust des
Subjekts den Umweg über den Nebenmenschen macht.
Diese falsche materialistische Sittenlehre wurde und wird heute
noch unterstützt durch die mechanische Assoziationspsychologie
und die Lustmotivtheorie des Willens, wonach Lust der einzige
Beweger des Wollens und Handelns sein soll, während in Wahrheit
die Bestimmungsgründe des Willens in die Wertebene fallen. Nur
nebenbei kann hier bemerkt werden, daß die nicht-empiristische
Sittenlehre entweder auf einem reinen P f l i c h t b e g r i f f auf-
gebaut ist (Kant) oder auf einem Begriff des überindividuellen
s i t t l i c h e n G u t e s , das einer höheren Ordnung der Dinge
angehört (Platon, Aristoteles, Mittelalter, der nachkantische deutsche
Idealismus). — In der Gesellschaftslehre können die individualisti-
schen Begriffe des Eigennutzes und des Altruismus nur durch den
Begriff der Gemeinschaft oder Gezweiung überwunden werden
1
. In
der Volkswirtschaftslehre kann, wie noch zu zeigen sein wird, der
Begriff des Eigennutzes als verfahrenmäßiger Grundbegriff nur
durch den des o b j e k t i v e n G l i e d e r b a u e s d e r W i r t -
s c h a f t überwunden werden.
Dem Begriffe des Altruismus verwandt ist ein anderer moderner
Begriff, der des M u t u a l i s m u s (von lateinisch mutuus, geborgt,
wechselseitig, neulateinisch mutualis, gegenseitig), welcher die ge-
genseitige Hilfe im gesellschaftlichen und biologischen Bereiche be-
deutet
2
. Auch er gehört durchaus dem empiristischen Gedanken-
kreise an, denn er will auf die Tatsache hinweisen, daß in der Wech-
selseitigkeit der Einzelne und sein Eigennutz die größte Förderung
findet, eine größere als bei dem Eigennutz auf geradem Wege. Auch
der Mutualismus ist nichts und will nichts anderes sein als ein ge-
läuterter Egoismus einer hedonistischen Sittenlehre, die den Umweg
über die Gesellschaft macht.
1
Vgl. dazu mein Buch: Gesellschaftslehre, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 85 ff.
(jetzt: 4. Aufl., Graz 1969, S. 129 ff. = Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 4).
2
Peter Krapotkin: Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt, Leip-
zig 1908.