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teten Worten: „als je und je (von jeher) mein“. Damit ist nichts
Geringeres gesagt, als daß der Mensch in der T e i l n a h m e a m
g ö t t l i c h e n L e b e n d i e g a n z e S c h ö p f u n g i n s i c h
a u f n e h m e ! Doch greifen wir damit unserer späteren Erklärung
vor.
Wir dürfen sagen: Eckehart unterscheidet in den angeführten
Worten dreierlei Erkenntnis.
Erstens die zuletzt genannte, höchste, die mystische, welche er,
wie schon angedeutet, aus dem M i t l e b e n d e s M e n s c h e n
i n G o t t entspringen läßt; daher „als von jeher mein“ erklärt
wird.
Zweitens die weniger hohe, aber doch im Transzendenten wur-
zelnde Erkenntnis des „inneren Menschen“, das ist der Vernunft,
welche eine E r k e n n t n i s d e r I d e e n w e l t b e d e u t e t .
Sie ist ein inneres Spüren des göttlichen Grundes der Dinge, eben
der Ideen — die „Kreaturen als Gabe Gottes“. Wir dürfen hinzu-
fügen, dies sei die Erkenntnis auf Grund von E i n g e b u n g e n ,
wie sie in den schöpferischen Begriffen von Wissenschaft und Kunst
gegeben sind.
Drittens die äußere oder s i n n l i c h e E r k e n n t n i s , welche
die Kreaturen „als Wein und Brot und Fleisch“ nimmt.
Wir ersehen aus dieser Stufenleiter schon jetzt, daß das Erkennen
für Eckehart nicht bloß ein seelischer Vorgang unter anderen im
menschlichen Geiste war, sondern ein höherer L e b e n s v o r -
g a n g , auf welchem das Wesen des Geistes so recht beruht. Doch
wird sich das später noch klarer zeigen. Wir betrachten nun einzeln
die Erkenntnisstufen.
I.
Die erste Stufe: Das mystische Erkennen
A. Das W e s e n
Immer wieder betont Eckehart, und dazu bestimmt ihn die
mystische Erfahrung, daß das Innebleibende der Seele, das Fünklein,
mit Gott ein Werk wirke; daß es ein Mitleben mit Gott habe und
in diesem innebleibenden Mitleben zugleich Gott e r k e n n e . Zu
verstehen ist das nur, wenn man die Hinweise auf das Erlebte dieser
Lehren ernst nimmt. Sie sind aber nicht nur erlebt, sondern auch