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Vorbedingung, nur Veranlassung zur Erweckung der in unserem
Geiste schlafenden Ideen)
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. Dieses Erwecktwerden der Ideen in uns
oder dieses Eingerücktsein unseres Geistes in die Ideenwelt, ange-
zeigt durch die Eingebung, könnte man auch als „Erkanntwerden
durch die Idee“ bezeichnen: ich erkenne, insofern die Idee in mir
lebendig wird, i n s o f e r n e ich eins mit der Idee bin: Soferne ich
von der Idee berührt, befaßt und in diesem Sinne erkannt werde.
Steht es doch ebenso mit der höchsten mystischen Erkenntnis. In
ihr bildet der Mensch, wie Eckehart sagt, eine Einheit mit Gott.
Diese Einheit auszudrücken und begreiflich zu machen, wird Ecke-
hart nicht müde! So heißt es in der 56. Predigt in orphischem Tone:
„Da ich stund in dem Grunde, in dem Boden, in dem Flusse und in der
Quelle der Gottheit, da fragte mich niemand, wohin ich wollte oder was ich
täte: da war niemand, der mich hätte fragen können.“
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Auch das ist als innere Erfahrung zu verstehen, nicht als abge-
leitete, abgezogene Lehre! Wieder läuft alles dabei auf die von
Eckehart so oft hervorgehobene Einheit mit Gott hinaus. Der Geist
ist ihm da so eins mit Gott, ohne seine Persönlichkeit zu verlieren,
daß er, wie Eckehart sagt, dasselbe, was Gott tut und erkennt,
ebenfalls tut und erkennt — er nimmt am göttlichen Leben teil.
Auf eben diese Einheit deutet auch das oben angeführte Beispiel
von Lehrer und Jünger. Auch mit einem anderen Bilde, dem des
„Beiwortes“, macht er es anschaulich; denn mit dem „Worte“, das
Gott spricht, bildet ja das „Beiwort“ eine Einheit.
Noch anders ausgedrückt, wird der Mensch im mystischen Zu-
stande Gottes inne, soferne er von Gott erleuchtet wird — er er-
kennt, soferne er erkannt wird. Da nun in dieser Einheit der
Mensch sich als m i t s c h a f f e n d bestimmen kann, sagt Ecke-
hart auch, der Mensch schaffe da (urbildlich) mit Gott alle Dinge.
Das folgt auch daraus, daß er hier als M i t w e s e n Gottes gefaßt
wird (durch Gnade).
1
Die nähere Begründung siehe in meinem Buch: Ganzheitliche Logik, Eine
Grundlegung, aus dem Nachlaß herausgegeben von Walter Heinrich, Salzburg,
Klosterneuburg 1958 (= Stifterbibliothek, Bd 95 a—f.). (jetzt: 2. Aufl., Graz 1972
= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 17.).
2
Meister Eckehart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Göttingen 1924, S. 181,
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