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folgerichtig. Die Lehre vom mystischen Erkennen folgt sowohl aus

dem bekannten eckehartischen Begriffe des „Fünkleins“ oder Seelen-

grundes, wie auch aus dem Begriffe des Innebleibens, den Eckehart

in der gewaltigen 56. Predigt berührt.

In ihr heißt es auf die Frage: „Meister Eckehart, wann ginget Ihr

aus dem Hause?“ — „da (während ich gefragt wurde) war ich

darin“; und: „es vermißte mich da (während ich aus Gott trat und

in der Welt war) niemand.“

Die Erklärung dieser urtümlichen, aus heimlicher Erfahrung kom-

menden Worte liegt darin, daß das Fünklein der Seele sich in Wahr-

heit auch während des weltlichen Daseins der Menschen von Gott

nie trennt, stets in seiner göttlichen Befaßtheit i n n e b l e i b t .

Das, was Eckehart die „Gottesgeburt in der Seele“ nennt, ist nichts

anderes als eine B e w u ß t w e r d u n g dieser unauflöslichen Ver-

bundenheit und Einheit des Menschen mit Gott.

Auch der oben angeführte Begriff des „Beiwortes“ macht dies

klar. Die Seele ist ein Beiwort des göttlichen Wortes (des Logos, des

Sohnes). Dieses „Beiwort“ bleibt (durch das Fünklein) auch wäh-

rend der Erdenlaufbahn der Seele mit Gott vereint, es nimmt als

Innebleibendes am göttlichen Leben teil! Das Innebleibende ist

also allerdings zugleich ausfließend, während das göttliche Wort im

innergöttlichen Leben (im trinitarischen Kreislaufe) verharrt.

Nun ist es verständlich, wieso Eckehart sagen kann, der inne-

bleibende Teil der Seele (das Fünklein) „wirkt mit Gott ein Werk“.

Denn er hat — als innebleibend — ein Mitleben mit Gott, er

schmeckt Gott nicht von außen, nicht als sinnlich empfindbare

„Gabe“; vielmehr: Gott ist von jeher sein, ist „je und je“ sein! Was

Gott wirkt und erkennt, wirkt und erkennt auch der innebleibende

Teil der Seele.

Die Erde und Himmel übersteigende Kühnheit dieses Gedankens

muß in Erstaunen setzen. Der nüchterne Sinn zumal des neuzeit-

lichen Menschen, der auf äußere Empirie eingestellt ist, wird das

schlechthin ablehnen. Dennoch wird niemand leugnen können, daß

Eckeharts Gedanke aus den tiefsten Tiefen des Erlebnisses geschöpft:

sei. Von hier aus begreift: man auch erst ganz die an Wunder gren-

zenden Ausbrüche des Meisters:

„Gott ist mein Vaterland.“ — „Alles, was Gott je seinem eingeborenen Sohne

gab, das hat er mir gegeben.“