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Im inneren Menschen wohnt „Gott, dessen Natur es ist, immer und allein im

Innersten zu sein. Wenn aber Gott, dann sicher auch alles, denn in Gott ist

alles.“ — „ . . . bemerke, daß der innere Mensch auf keinerlei Weise in der Zeit...

oder an einem Orte ist, sondern ganz in der Ewigkeit. Dort wird Gott geboren,

dort wird er gehört, dort ist er, dort spricht Gott und Gott allein.“

1

Hier zittert überall noch die Wonne des Erlebnisses nach. Der

Lehre des Johannesevangeliums, daß wir nicht nur Gottes Ge-

schöpfe, sondern göttlichen Geschlechtes seien, und nicht nur Söhne,

sondern auch Erben, gibt hier Eckehart ekstatischen Ausdruck.

Wieder müssen wir an den Begriff des Fünkleins erinnern, welches

„Gottes Sippe“ ist und das Wesen Gottes selbst berührt. Es heißt

nicht zufällig „Fünklein“, denn es ist göttliches Licht. Ohne diesen

Begriff sind Stellen wie die obigen nicht voll zu verstehen:

„Soll Gott gesehen werden, das muß geschehen in einem Licht, das Gott selber

ist.“

2

Dieses ist ein Licht der Gnade.

Hiermit sind wir schon bei dem Hauptgedanken der eckehar-

tischen Erkenntnistheorie angelangt, den er in den Worten aus-

spricht:

„Gott wird durch Gott erkannt in der Seele.“

3

Demnach, die Seele begreift Gott nur, soferne sie von ihm be-

griffen wird

4

. In vielen Wendungen gibt Meister Eckehart dem Aus-

druck:

„Darum wirft er (Gott) seinen Blick in die Seele, damit sie etwas (von ihm)

erkenne.“

5

„Es ist zu wissen, daß das eins und dasselbe ist: Gott erkennen und von Gott

erkannt zu werden. Dadurch erkennen wir Gott, daß er uns machet sehend

und erkennend. Und wie die Luft ... von dem leuchtet, daß sie erleuchtet ist,

also erkennen wir, soferne wir erkannt sind, und er sich uns macht erkennbar.“

6

In kühner Bildhaftigkeit sagt dasselbe ein (auch von Hegel in

seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie angeführtes)

Wort Meister Eckeharts:

„Das Auge, darin ich Gott sehe, ist dasselbe, darin mich Gott sieht: mein

Auge und Gottes Auge ist Ein Auge und Ein Gesicht und Ein Erkennen und

Eine Minne.“

7

1

Meister Eckehart: Lateinische Werke, Bd 4: Sermones, deutsch von Ernst

Benz, Stuttgart 1937, S. 193.

2

Meister Eckehart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Göttingen 1924, S. 80,

Zeile 23.

3

Meister Eckehart, Predigt VI, S. 37, Zeile 31.

4

Meister Eckehart, S. 504, Zeile 26.

5

Meister Eckehart, S. 504, Zeile 15.

6

Meister Eckehart, Predigt VII, S. 38, Zeile 11.

7

Meister Eckehart, Predigt XCVI, S. 312, Zeile 8; Augustinus Daniels: Eine

lateinische Rechtfertigungsschrift des Meister Eckhart, mit einem Geleitwort