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tionen; sie führen vielmehr auf die metaphysische Wesenheit, die
Idee, zurück. Daraus ergibt sich auch (wie ich anderwärts begrün-
dete), daß die Erkenntnis des echten Allgemeinen, der Gattung, auf
Eingebung, das heißt Berührung mit der Idee, beruhe. Eckehart
selbst kümmert sich hier wie sonst kaum um die Ausgestaltung der
Lehrbegriffe. Auch setzt er die platonisch-aristotelische Lehre der
Hochscholastik und Augustins hier einfach voraus. Dennoch finden
sich da und dort Hinweise solcher Art. So in einer lateinischen
Predigt:
„Indem der Geist sich empfangend verhält (das ist erkennend), nimmt er die
innersten Prinzipien einer Sache in sich auf, nämlich die Ideen, vielmehr die Idee
(ratio) der Dinge, die viel edler ist als die Dinge.“
1
Hieraus geht hervor, daß Meister Eckehart einen entschiedenen
Begriffsrealismus vertrat, was sich übrigens für einen Mystiker von
selbst versteht. Er weicht zwar hier von der mehr vermittelnden
Stellung des hl. Thomas etwas ab, findet sich aber, wie gesagt, im
schärfsten Gegensatze zu den von ihm witzig sogenannten „kleinen
Meistern“, den Nominalisten, denen das Allgemeine keine Wirk-
lichkeit, sondern nur „Name“ für das Gemeinsame der Dinge war.
Hieraus ersehen wir die Berührungspunkte und Gegensätze,
welche Eckehart zu den verschiedenen Richtungen der Scholastik
seiner Zeit hatte. Für Eckehart war dabei weniger das Lehrbegriff-
liche maßgebend, als vielmehr das Metaphysische, das im Ideen-
begriffe lag; und wodurch die Erkenntnis nach Ideen auf die
m e t a p h y s i s c h e W u r z e l der Dinge zurückführte. Die all-
gemein-begriffliche Erkenntnis war ihm dadurch eine Erkenntnis
der Dinge „in Gott“, ein „Morgenlicht“.
Die s i n n l i c h e E r k e n n t n i s geschieht durch die „sensib-
len species“, die sinnlichen Formen. Nach der damals herrschenden
Meinung:
„Hauet die wirkende Vernunft (der ,nus poetikos', des Aristoteles, der ,intellec-
tus agens' der Scholastiker) die Bilder ab von den äußeren Dingen und entkleidet
sie von der Materie und der Zufälligkeit und setzt sie in die leidende Vernunft
(den ,nus pathetikos' des Aristoteles, den ,intellectus possibilis
1
der Scholastiker)
und diese gebiert ihr geistiges Bild in sie.“
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1
Meister Eckehart: Lateinische Werke, Bd 4: Sermones, deutsch von Ernst
Benz, Stuttgart 1937, S. 106.
2
Meister Eckehart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Göttingen 1924, Predigt
III, S. 19, Zeile 22.