Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3741 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3741 / 9133 Next Page
Page Background

308

tionen; sie führen vielmehr auf die metaphysische Wesenheit, die

Idee, zurück. Daraus ergibt sich auch (wie ich anderwärts begrün-

dete), daß die Erkenntnis des echten Allgemeinen, der Gattung, auf

Eingebung, das heißt Berührung mit der Idee, beruhe. Eckehart

selbst kümmert sich hier wie sonst kaum um die Ausgestaltung der

Lehrbegriffe. Auch setzt er die platonisch-aristotelische Lehre der

Hochscholastik und Augustins hier einfach voraus. Dennoch finden

sich da und dort Hinweise solcher Art. So in einer lateinischen

Predigt:

„Indem der Geist sich empfangend verhält (das ist erkennend), nimmt er die

innersten Prinzipien einer Sache in sich auf, nämlich die Ideen, vielmehr die Idee

(ratio) der Dinge, die viel edler ist als die Dinge.“

1

Hieraus geht hervor, daß Meister Eckehart einen entschiedenen

Begriffsrealismus vertrat, was sich übrigens für einen Mystiker von

selbst versteht. Er weicht zwar hier von der mehr vermittelnden

Stellung des hl. Thomas etwas ab, findet sich aber, wie gesagt, im

schärfsten Gegensatze zu den von ihm witzig sogenannten „kleinen

Meistern“, den Nominalisten, denen das Allgemeine keine Wirk-

lichkeit, sondern nur „Name“ für das Gemeinsame der Dinge war.

Hieraus ersehen wir die Berührungspunkte und Gegensätze,

welche Eckehart zu den verschiedenen Richtungen der Scholastik

seiner Zeit hatte. Für Eckehart war dabei weniger das Lehrbegriff-

liche maßgebend, als vielmehr das Metaphysische, das im Ideen-

begriffe lag; und wodurch die Erkenntnis nach Ideen auf die

m e t a p h y s i s c h e W u r z e l der Dinge zurückführte. Die all-

gemein-begriffliche Erkenntnis war ihm dadurch eine Erkenntnis

der Dinge „in Gott“, ein „Morgenlicht“.

Die s i n n l i c h e E r k e n n t n i s geschieht durch die „sensib-

len species“, die sinnlichen Formen. Nach der damals herrschenden

Meinung:

„Hauet die wirkende Vernunft (der ,nus poetikos', des Aristoteles, der ,intellec-

tus agens' der Scholastiker) die Bilder ab von den äußeren Dingen und entkleidet

sie von der Materie und der Zufälligkeit und setzt sie in die leidende Vernunft

(den ,nus pathetikos' des Aristoteles, den ,intellectus possibilis

1

der Scholastiker)

und diese gebiert ihr geistiges Bild in sie.“

2

1

Meister Eckehart: Lateinische Werke, Bd 4: Sermones, deutsch von Ernst

Benz, Stuttgart 1937, S. 106.

2

Meister Eckehart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Göttingen 1924, Predigt

III, S. 19, Zeile 22.