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Durchführung eines Verfahrens, nämlich der Erforschung des Men-
genhaften im Naturbereiche aufzutreten — dann zerstört sie das
innere Verhältnis des Menschen zur Natur von Grund auf! Und
noch mehr, bleibt man folgerichtig, wird sie ernst genommen und
festgehalten, dann verwandelt sie den Menschen (dessen Empfin-
dungswelt ja nichts gilt) in ein physikalisch-chemisches Gebilde,
gleichsam in eine Drahtpuppe mit chemischem Antriebe, welche die
Natur nur als eine tote Umwelt sich gegenüber hat; oder welcher,
in Weiterverfolgung aller Vordersätze dieser Schlußkette, sogar die
Wirklichkeit der Natur selbst, jedenfalls aber der Sinn des Lebens
abhanden kommt!
Wo Empfindung und Geist nur subjektiv bleiben, hat weder der
Mensch in der Natur seinen Platz, noch Natur und Sinn des Lebens
einen Bestand. (Zwar gibt es Ansätze in der neueren Physiologie
und Seelenlehre zu anderen Einstellungen, doch ist keine Spur eines
Erfolges zu bemerken, weshalb die reine, folgestrenge Lehre der
Subjektivität der Sinnesqualitäten notwendig das Feld behält
1
.
Demgegenüber behaupten wir: das Wesentlichste, Unentbehr-
lichste und Wahrste der Naturbetrachtung geht bei jenem ursäch-
lich-mechanistischen, mengenhaften Verfahren verloren! Es ist et-
was in der Natur, was wir ihr Leben, ihre Innerlichkeit nennen
müssen. Die Natur lebt, der empfindende Mensch lebt ihr Leben in
bestimmtem Sinne mit und nimmt an ihrer Innerlichkeit teil.
Diese heimliche Teilnahme der empfindenden Seele nennen wir
das G e m e i n l e b e n des Menschen mit der Natur oder seine
Gemeinschaft mit ihr; welche aber nicht Gemeinschaft zwischen
Artgleichem, sondern (nach früherer Namengebung) eine Gemein-
schaft oder „Gezweiung fernerer, höherer Ordnung“ zwischen
Mensch und Natur.
Der heutigen naturwissenschaftlichen Bildung klingt nun ein
„Gemeinleben“ solcher Art gänzlich phantastisch. Wie sollen wir es
nun rechtfertigen, zumal wir doch die Fruchtbarkeit und bedingte
Berechtigung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Verfahrens
nicht leugnen? —Wir gehen Schritt für Schritt vor und unter-
* 2
1
So z. B. bei Rudolph Dittler (Physiologe) in dem Aufsatze: Sinnesorgane
(allgemeinphysiologisch), in: Handwörterbuch der Naturwissenschaften, Bd 9,
2. Aufl., Jena 1934, S. 57. Dittler vertritt ebenda auch die Lehre der „Spezifität
der Sinnesenergien“ (a. a. O., S. 54 und 57).