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selhafte an der Sinnesempfindung? Vor allem der Umstand, daß wir

von den stofflichen Vorgängen, welche die Reize in den Sinnes-

organen, Nerven und Rindenfeldern auslösen, k e i n e n Ü b e r -

g a n g zu den seelischen Vorgängen, nämlich den Empfindungen,

finden! Hätten wir die vollständigen physikalisch-chemischen For-

meln alles Geschehens in den Reizen, Sinnesorganen, Nerven, zuge-

hörigen Ganglien der sensorischen Rindenfelder — so hätten wir

immer erst noch Formeln, wir sprächen von ihnen wie der Blinde

von der Farbe, wir wüßten immer noch nichts von Licht, Farbe,

Gestalt, Klang, Wärme, nichts von den seelischen „Korrelaten“

jener Formeln, nichts von den Empfindungen selbst! Jene Formeln

sind um eine Welt verschieden von den Empfindungsinhalten. Der

physiologische Chemiker und Physiker muß erst als Sehender, Hö-

render, Schmeckender usw. innerlich erfahren, was er äußerlich,

stofflicherweise, in seinen Formeln vor sich hat!

Daraus folgt abermals eindeutig: Das G e s c h e h e n , w e l -

c h e s d i e S i n n e s e m p f i n d u n g i n s i c h

s c h l i e ß t ,

l i e g t a u f e i n e r a n d e r e n E b e n e a l s d a s j e n i g e

G e s c h e h e n , w e l c h e s i n d e n p h y s i k a 1 i s c h

-

c

h

e

-

m i s c h e n V e r ä n d e r u n g e n d e r b e t r o f f e n e n O r -

g a n e b e s t e h t . Anders gesagt: empfinden muß die Seele selbst!

sie muß es durch eine eigene, ihr selbst zugehörige Tat, ihre eigene

Spontaneität vollbringen! Wie ja auch aus Fichtes großer Lehre von

der „Selbstsetzung des Ich“ und dessen „Selbstentgegensetzung“ her-

vorgeht (von der allerdings die sensualistische und die gesamte heu-

tige Seelenkunde keine Ahnung hat!)

1

.

Wenn nun die Seele selbst empfinden muß, wie könnte das auf

andere Weise geschehen, als in einer unmittelbaren Verbindung mit

den immateriellen Wurzeln, den intelligiblen Wesensgründen der

empfundenen Naturdinge?; und zwar gewöhnlicherweise n a c h

M a ß g a b e der Veranlassungen, welche von den Reizen und den

sich an sie schließenden Umsetzungen ausgehen. Diese sind Vor-

bedingungen der Empfindung; keinesfalls aber die andere Seite der

1

Eine nähere Erklärung gab ich in meinem Buch: Philosophenspiegel, Die

Hauptlehren der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt, 2. Aufl.,

Wien 1950, S. 111 ff. und 124 ff. (jetzt: 3. Aufl., Graz 1970, S. 121 ff. und

136 ff. = Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 13).

21 Kleine Schriften