Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3752 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3752 / 9133 Next Page
Page Background

319

handelt und grundsätzlich anerkannt, so daß sie heute keiner

eigenen Schilderung und Belege mehr, wie das etwa noch vor fünf-

zig Jahren der Fall war, bedürfen. Darum führen wir als einziges,

klassisch gewordenes Beispiel nur die von Justinus Kerner treulich

beschriebene „Seherin von Prevorst“ an. Die Seherin blickte z. B.

in ein mit Wasser gefülltes Glas — bekanntlich eine Art von Selbst-

hypnose, welche auch „Kristallsehen“ oder „Spiegelsehen“ genannt

wird —, verfiel dadurch in einen Trancezustand und sah ein be-

spanntes Gefährt durch ein entferntes Dorf fahren. Das Gefährt

traf tatsächlich in der angemessenen Zeit bei Kerner ein und ent-

sprach genau der von der Seherin angegebenen Beschreibung

1

.

Entscheidend ist unseres Erachtens der Umstand, daß hier wie

in unzähligen anderen Fällen (auch besser beglaubigten als etwa in

dem bekannten Ferngesichte Swedenborgs des Brandes von Stock-

holm), der gewöhnliche Reiz das Auge nicht treffen konnte! Was

ist daraus zu folgern?

Unwiderleglicherweise dieses: Daß auch beim gewöhnlichen Sehen

dieselbe Grundtatsache vorliegt, also der Reiz, und was ihm an

Vorgängen in Sinnesorgan, Nerv und Ganglien des Rindenfeldes

folgt, keine schlechthin unentbehrliche Bedingung der Empfindung

bilde;

daß ferner nicht die Vorgänge in Sinnesorgan, Nerv und Rinden-

feld es sind, welche empfunden werden (denn der Reiz traf die Sehe-

rin ja gar nicht und k a n n den Hellsehenden in den meisten Fäl-

len gar nicht treffen);

daß endlich, da die Vermittlung durch den Reiz und seine Folgen

fortfällt, eine u n m i t t e l b a r e Fühlung, Teilnahme, Verbin-

dung des Sehers mit dem Gegenstande stattfindet.

Da ergibt sich aber eine neue Denkaufgabe! Wie kann eine un-

mittelbare Verbindung der Seele mit einem stofflichen Gegenstande

(der z. B. gesehen wird) stattfinden? Da Seele oder Geist einerseits,

die Materie andererseits einander wesensfremd sind, können sie sich

nicht „berühren“; in welch weitestem Sinne man auch diesen Begriff

fassen möge. Eine unmittelbare Verbindung von Seele und Stoff ist

also nicht möglich (Darum ist auch eine unmittelbare „Wechselwir-

1

Justinus Kerner: Die Seherin von Prevorst, Stuttgart 1829. — Unzählige

Beispiele aus einem großen Schrifttum unter anderen bei Ernst Mattiesen: Der

jenseitige Mensch, Berlin und Leipzig 1925.