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Ursache! Da aber die Ursache notwendig vor der Wirkung ist, so

suchte man den Zweck auch tatsächlich früher zu denken, nämlich

als eine „Motivierung“. Der Zweck ist damit die psychologische Ur-

sache, die gleich einer Gebirgslokomotive von hinten anschiebt.

Dem Begriff des Motivs gleicht jener der „Zweckursache“. In ihr

wird ganz allgemein der Z w e c k nach der Art des Motivs ge-

dacht, damit das Spätere (der Zweck als „Bewirktes“) nach der Ur-

sache erscheinen könne. Der Begriff der „Zweckursache“ ist ein Un-

begriff, ein Widerspruch in sich, ein hölzernes Eisen.

Die gegenwärtige Lage der Geisteswissenschaften wie der Philo-

sophie darf, alles in allem genommen, dahin gekennzeichnet wer-

den, daß eine Kategorie gefordert wird, die die Schwäche des

Zweckbegriffes vermeidet, ohne in die Unwahrheit des mechanisti-

schen Kausalbegriffes zurückzufallen.

Würde man demgegenüber zur Rettung des mechanistischen Ur-

sächlichkeitsbegriffes auf den großen Aufschwung aller Wissen- /

schaften seit der Abwendung vom Zweckbegriffe hinweisen, so wäre

das ein verhängnisvoller Irrtum. Wir haben in der Einleitung die

Widersprüche aufgezeigt, die sich daraus ergaben, daß keine einzige

Geisteswissenschaft ursächliche Erkenntnisse aufweist, während ihre

Verfahren ausschließlich auf die Ursächlichkeit abzielen! Alle Gei-

steswissenschaften empfinden heute den Druck ihrer sachwidrigen

Verfahren und ebenso unter den Naturwissenschaften diejenigen,

deren Gegenstand das Leben ist. Ja seit den neuesten umstürzenden

Bewegungen in der Physik (Radioaktivität, Relativitätstheorien,

Quantentheorie) ist auch dort ein Zustand geschaffen, der auf Über-

prüfung der Grundlagen hindrängt, die Bedeutung der mathemati-

schen „Beschreibung“ einschränkt und die Herrschaft des Ursachen-

begriffs bedroht. In den Gesellschaftswissenschaften jedenfalls ist

die Fortdauer der mechanistisch-naturwissenschaftlichen Betrach-

tungsweise unerträglich. Die Früchte ihres Standpunktes sind Lehr-

begriffe wie jene der klassischen Volkswirtschaftslehre von angeb-

lich mathematischen Gesetzen der Preisbildung durch Angebot- und

Nachfragemengen, die zuerst zu einer Mechanisierung und Quanti-

fizierung und später zu einer völligen Zerstückung und Entgliede-

rung der Wirtschaft führten; oder Lehrstücke wie die materialisti-