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Ziehung setzt“. Kann man aber, so wäre hier zu fragen, die vorbewußte Intellek-

tualfunktion überhaupt bestimmen? Man erkennt hier den Kantischen Apriori-

begriff, aber ins Psychologische gewendet, wieder. Diese unbewußten Intellektual-

funktionen sollen nun wieder als Betätigungsweisen der unpersönlichen Vernunft

aufzufassen sein! Hartmann unterscheidet: die Kategorien der Sinnlichkeit, des

Denkens und des spekulativen Denkens; auf allen drei Gebieten unterscheidet er

wieder die „subjektiv-ideale Sphäre“, die „objektiv-reale Sphäre“ und die

„metaphysische Sphäre“. Folgerichtig wird ihm die R e l a t i o n o d e r B e -

z i e h u n g z u r U r k a t e g o r i e , und zwar nicht nur der Kategorien des

Denkens, sondern auch jener der Sinnlichkeit — ein empiristischer Gedanke, der

den Fehler hat, daß es doch ein Etwas sein muß, das auf ein anderes Etwas „be-

zogen“ wird, so daß dasjenige, was die Beziehung fundiert, die Urerscheinung

sein müßte, nicht aber die Beziehung selbst. Ferner: „Beziehung“ führt im letzten

Grund auf Kausalität, ja sie ist die Kausalität selbst. Es nützt dann wenig, wenn

für Hartmann Kausalität in der „metaphysischen Sphäre“ überwunden wird und

das, was sich in der objektiv-realen Sphäre abspielt, nur der Ausdruck meta-

physischer Funktionen sei. Ebenso ist keine methodische Klarheit erzielt, wenn

Kausalität und Finalität nur als die verschiedenen „Aspekte“ einer und derselben

Sache erklärt werden; wenn die „ideelle Priorität der Finalität vor der Kausalität“

nur metaphysisch in Anspruch genommen wird; denn die Forschung kann mit

solcher unanwendbarer Priorität m e t h o d i s c h nichts anfangen. — Trende-

lenburg wie Hegel geben weit mehr als Hartmann. Dennoch hat Hartmann das

Verdienst, auf empiristischem Boden selbst die Unzulänglichkeit der rein mecha-

nistischen Kategorien zum Teil gezeigt zu haben.

Im Vordergrunde der jüngsten Gegenwart steht die Kategorienlehre von

H a n s D r i e s c h , über die wir Külpes Bericht anführen

1

. Külpe führt aus:

Eine Eigentümlichkeit der von Driesch entwickelten „Ordnungslehre“ liegt

darin, daß sie eine s o l i p s i s t i s c h e G r u n d l a g e (!) für die Kategorien-

lehre fordert. Die Philosophie zerfällt nach Driesch in die Selbstbesinnungs-

lehre, die die letzten unzerlegbaren Kategorien bewußten Erlebens aufzeigt, in

die Ordnungslehre, welche die Ordnungsformen der / Gegenstände entwickelt,

und die Erkenntnislehre, die erst das Realitätsproblem aufwirft und damit meta-

physischen Charakter hat. Die Ordnungslehre geht über das Für-mich-Gültige

nicht hinaus. Sie muß von der Voraussetzung „Ich erlebe denkend“ ausgehen. —

Ich füge dem Bericht Külpes hinzu, daß die Ausgangsformel von Driesch nun-

mehr lautet: „Ich habe bewußt geordnetes Etwas.“ „ „Ich“ „habe bewußt“ und ge-

ordnetes Etwas“ sind des Urtatbestandes drei Bestandteile“, sagt Driesch in voller

solipsistischer Naivität, einer Naivität, die allerdings verbietet, ihn philosophisch

ernst zu nehmen

2

. Die Kategorien sind ihm erlebte Bestimmungen erlebter

Objekte.

K ü l p e selbst vertritt gegenüber dem von den genannten und anderen

modernen Verfassern eingenommenen, mehr oder weniger solipsistischen Stand-

punkte und Kategorienbegriff die Auffassung, daß die Kategorien „Gegen-

standsbestimmtheiten“ darstellen, womit er sich im Grunde der ontologischen

Auffassung anschließt. „Wenn dem Realismus oft vorgeworfen wird, daß er

1

Oswald Külpe: Zur Kategorienlehre, in: Sitzungsbericht der bayerischen

Akademie der Wissenschaften, philosophisch-philologische Klasse, Abhandlung 5,

Jg 1915, München 1915, S. 16 ff. Hans Driesch: Ordnungslehre, Jena 1912; Wirk-

lichkeitslehre, Leipzig 1917.

2

Hans Driesch: Wissen und Denken, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 8.