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dern schon diese Erlebnisse selbst: sie sind daher unmittelbar in geistiger
Verbindung miteinander, sie bilden eine geistige Gemeinschaft im
eigentlichen Sinne des Wortes. Ebenso alle Kulturinhalte, das heißt alle
Erlebnisse selbst.
Überblicken wir diese Betrachtung, so ergibt sich: daß jene
Gemeinsamkeiten gar keine wirklichen Gemeinschaften im Sinne
unmittelbarer geistiger Verbindung, im Sinne unmittelbarer
Wechselwirkung geistiger Inhalte, darstellen, sondern nur Gemeinsamkeit
von B e d i n g u n g e n des Lebens, und auch da von Bedingungen sehr
verschiedener Art. Nur im letzten der obigen Fälle, der Reli- gions- sowie
der Kulturgemeinschaft, handelte es sich um wirkliche geistige
Gemeinschaft. So ist es auch ohne den Hinweis auf die Widersprüche mit
der historischen Wirklichkeit begreiflich: daß alle jene Gemeinsamkeiten
zusammen weder eine Einheit, die Nation, bilden können (wie es etwa die
Begriffsbestimmung von H a s s e fordert), noch daß eine einzige derartige
Gemeinsamkeit (Staat, Sprache, Rasse, Raum, selbst Religion) das Wesen
der Nation zu bestimmen imstande ist.
Das Volkstum kann nach dem bisherigen nur in geistiger Gemeinschaft
beschlossen liegen; daher können es weder äußere oder innere
Bedingungen von Gemeinschaften (Raum, Rasse usw.) bezeichnen, noch
ein einzelner geistiger Inhalt, z. B. Religion. H i e r m i t w i r d d i e
F r a g e n a c h d e m B e g r i f f d e r N a t i o n e i n f a c h z u
e i n e r A b g r e n z u n g s a u f g a b e in bezug auf die geistigen Inhalte:
welche Summe (oder organische Einheit) geistiger Inhalte
(Gemeinschaften) macht die Nation aus? welche sind die tragenden,
bestimmenden Inhalte (Gemeinschaften)?
II. Die Kulturgemeinschaften
Das Wesen der nationalen Gemeinschaft kann nur ausmachen, was die
Menschen auf eigenartige Weise geistig verbindet. Die grundlegenden,
tragenden Gemeinschaften können allein solche sein, die auf einem
ursprünglichen geistigen Inhalte beruhen. Das sind die im Erkennen und
Wissen, im metaphysischen und religiösen, im moralischen und
künstlerischen Fühlen und Denken sich abspielen-