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ihrer Sprache darbietet, für diese Grundlegung und Richtungge- bung,
selbst dann, wenn die nationalen Ideale von Weltanschauung, Moral,
Bildungsrichtung nur in elementarster Form und nur unbewußt, naturhaft
die Wesenheit eines Individuums beeinflussen. Dazu kommt ja nun doch
wenigstens im großen auch eine gewisse Tendenz rassenmäßig
gleichartiger Anlage. Daher hat der westfälische Bauer eine ganz andere
Geistes- und Lebensrichtung als der russische, der tirolische eine andere
als der bosnische, selbst wenn sie alle Analphabeten sind. Und
westfälischer, tirolischer, nordfranzösischer Bauer werden einander mehr
gleichen als jenen slawischen—weil sie sich auch national in Kulturmilieu
und Rasse näher stehen. (2) Wichtig ist, zu beachten, daß die
Kulturfähigkeit der Massen selbst bei sehr gesteigerter Volksbildung bei
allen Nationen verhältnismäßig gering ist. Denn: Nur s o w e i t d i e
K u l t u r f ä h i g k e i t (und damit die Teilnahme an den geistigen
Kulturgemeinschaften) r e i c h t , r e i c h t a u c h d e r w a h r e
n a t i o n a l e U n t e r s c h i e d , ja geradezu die wahre (reale, von der
natürlich die vermeintliche, subjektive abweichen kann) Zugehörigkeit
zur Nation (das andere geht in Interessengemeinschaft auf). Hier ist also
abermals zu beherzigen: Nation ist in jeder Hinsicht ein Gradbegriff. Die
durch die abgeleiteten Gemeinschaften gegebenen Denkinhalte gehören
natürlich trotzdem zumDenkinhalt der nationalen Gemeinschaft: aber nur
zu ihren Außenwerken, nicht zu ihrem innersten Wesen, nur
peripherisch, nicht spezifisch, nur akzidentiell, nicht grundsätzlich, nur
stofffüllend, nicht formgebend. Daher liegen denn auch die Unterschiede
der Nationen in ihren weltanschauungsmäßigen, kulturellen Idealen, in
den ihrer Natur gemäßen geistigen Zielen und Richtungen; im
wirtschaftlich-technischen Leben sind und waren sie einander meist recht
gleich. Hirtenvölker ähnlicher Zone unterschieden sich voneinander in
äußeren Dingen meist nicht viel mehr als heute Industrievölker. Daher
kann in Ansehung des äußeren Lebens heute wie früher leicht eine
Verbundenheit und Gleichartigkeit der gesamten zivilisierten Menschheit
angenommen
werden.
Vertreter
der
materialistischen
Geschichtsauffassung, denen Wissenschaft, Moral, Religion usw. nur
Reflex äußerer Verhältnisse ist, sind daher ganz im Rechte, den Begriff der
Nation abzulehnen; für Völker kapitalistischer Wirtschaftsform können
sie ihn keinesfalls anerkennen.