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Eine gewisse Verwandtschaft mit der Struktur dieser Gemeinsamkeit
zeigt eine andere Gemeinsamkeit äußerer Lebensbedingungen: des
geographischen Raumes. Klima, Boden, Flußsystem, natürliche
Verkehrsmöglichkeit, Flora, Fauna, sind keineswegs unbedeutende
Bedingungen des Lebens, sondern solche, die gleichartiges Wohnen,
gleiche Nahrung, Kleidung, Lebensgewohnheiten und eine bestimmte
Wirtschaftsrichtung bedingen. Dennoch ist selbst hier eine grundlegende
Verschiedenheit zur Staatsgemeinschaft vorhanden. Diese letztere ist eine
Gemeinsamkeit
o r g a n i s a t o r i s c h e r
Bedingungen
des
Zusammenlebens; Organisationen sind aber immer geistige Schöpfungen,
Ergebnisse der geistigen Wechselwirkungsprozesse der Menschen selbst.
Nicht so die Beschaffenheiten des geographischen Raumes. Diese sind
zunächst immer schlechthin von der Natur (nicht als Menschentat)
gegeben. Sie sind auch durch Rückwirkung des Menschen meist kaum zu
ändern. Bei der Gemeinsamkeit dieser äußeren, räumlichen Bedingungen
handelt es sich also gar nicht um eine echte g e i s t i g e Gemeinschaft (das
heißt um geistige Wechselwirkung), sondern nur um gemeinsames Haben
von Ursachen des Handelns.
Völlig anderer Natur ist wieder die Gemeinsamkeit der Rasse. Leute, die
gleicher Rasse sind, haben damit unmittelbar noch nichts anderes gemein
als (innerhalb sehr weiter Grenzen) ähnliche körperliche und geistige
Anlagen. Wie sie aber diese Anlagen unter verschiedenen geographischen,
staatlichen, sprachlichen usw. Bedingungen weiterentwickeln und nützen
werden, wird sehr verschieden ausfallen. Rassengemeinschaft ist somit
noch nicht geistige Gemeinschaft selbst. Der nachträglich hinzukommende
„Rassenstolz“ ist ja nur die Erkenntnis gemeinsamer Anlagen, also nur
abgeleitete, nicht ursprüngliche geistige Verbindung, sondern bloß —
ähnlich der Sprachgemeinschaft — Gemeinsamkeit gleichartiger innerer
Lebensbedingungen oder Anlagen, die aber nicht wie die äußeren
geographischen Bedingungen unveränderlich sind, sondern je nach
Umständen entwickelt oder unterdrückt werden können.
Den Aufbau echter geistiger Gemeinschaft (als psychische
Wechselbeziehung gefaßt) zeigt nur die Religions- oder überhaupt
Kulturgemeinschaft. Leute, die eine Religion gemeinsam haben, haben
nicht B e d i n g u n g e n ihres Bewußtseinsinhaltes gemein (während
Sprache, Staat, Rasse, Raum nur erst Bedingungen sind), son-