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[391/392]

Damit erachten wir die Frage des Verhältnisses des Ganzheits-

begriffes zu dem Begriff der Form oder des

είδος

noch nicht er-

schöpft. Die obigen Hinweise wollen nur die wesentlichsten Unter-

schiede hervorheben, während das Gemeinsame und Verwandte

beider Begriffe, das übrigens von selbst einleuchtet, unerörtert

blieb.

II.

Der Substanzbegriff

1

Ohne uns auf den langwierigen Weg einer Erörterung des aristo-

telischen Substanzbegriffes mit seinen mehrfachen Bedeutungen be-

geben zu können

2

, fassen wir hier „Substanz“ in jener Grundbe-

deutung, in der sie das Einzelding zu jener bestimmten Wesenheit

(ούαία,,

essentia) macht, der jeweils alle / Prädikate (Akzidentien)

beigelegt werden. Verneinend wäre dieser Begriff dahin zu begrün-

den, daß es ein Reales in akzidentiellem Sinne, also losgelöst von

Substanz, nicht geben kann. Der Begriff der Substanz wird dann

herkömmlich von den drei Merkmalen bestimmt:

(1)

Träger oder Subjekt der Akzidentien als seiner Inhärentien

zu sein;

(2)

das im Wechsel der Akzidentien (verhältnismäßig) Beständige

und Verharrende und

(3)

dasjenige, das eines andern Trägers nicht bedarf, um das in

sich selbst Bestand-Habende zu sein.

Der Begriff der Ganzheit kann diese Merkmale alle nur in einem

veränderten Sinne annehmen, ohne doch derjenigen Forderung, aus

der heraus die Denkaufgabe entsteht, deren Lösung immer wieder

nur der Substanzbegriff sein konnte, auszuweichen. Die schon er-

örterte Tatsache nämlich, daß es Qualitäten (Akzidentien) losgelöst

von „Wesenheit“ und von Einzeldingen, in denen sie (wie?, wo-

1

Vgl. auch oben S. 56 f. und 270 f.

2

Vgl. dazu die Erörterungen des Substanzbegriffes bei Eduard Zeller: Die

Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt, TI 2,

Abteilung 2: Aristoteles und die alten Peripatetiker, 4. Aufl., Leipzig 1921, S. 345 ff.

Friedrich Adolf Trendelenburg: Geschichte der Kategorienlehre, Berlin 1846, S. 34

und öfter (= Historische Beiträge zur Philosophie, Bd 1). Franz Brentano: Ari-

stoteles und seine Weltanschauung, Leipzig 1911, S. 44, 33 ff. und 38. Wilhelm

Windelband: Geschichte der abendländischen Philosophie im Altertum, bearbeitet

von Albert Goedeckemeyer, 4. Aufl., München 1923, S. 205 f. (= Handbuch der

Altertumswissenschaft, Bd 5, Abt. 1, TI 1).