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nahme werden. Daraus ergibt sich, daß der Begriff der Teilnahme
gegen den Satz verstößt: Das Ganze ist vor den Teilen. In der „Teil-
nahme“ liegt umgekehrt / der falsche Satz enthalten: der Teil ist
vor dem Ganzen, denn nur wer schon da ist, kann — hinterdrein!
— teilnehmen. „Teilnahme“ verstößt ferner in diesem Sinne auch
gegen den Begriff der Gezweiung, denn er schließt in sich, daß
etwas, b e v o r es Glied der Gezweiung ist, schon dagewesen sein
könne und n a c h t r ä g l i c h in die Gezweiung „eingehen“, an
ihr „teilnehmen“ könne, während die Glieder der Gezweiung erst
gegenseitig aktuiert werden.
Aus der Unvollziehbarkeit des Begriffes der Teilnahme folgt, daß
es überhaupt nicht eine eigene Idee und einen eigenen Gegenstand
als einander G e g e n ü b e r s t e h e n d e geben kann. Die Idee
wäre in diesem Fall das „Ganze als solches“, welches aber nach unse-
ren früheren Ergebnissen nicht erscheinen kann; der ihr gegen-
überstehende Gegenstand wäre der Doppelgänger der Idee, der aber,
da die Weise der Ebenbildlichkeit die Vermannigfaltigung verlangt,
unmöglich ist; oder er wäre das einzelne Glied „für sich“, welches
aber, wie wir sahen, ebenfalls nicht bestehen kann. Das Ganze wird
i n den Gliedern geboren, was in der alten Schulsprache die „Imma-
nenz“, nicht die „Transzendenz“ der Idee heißt. — Damit wäre zu-
nächst nur eine bestimmte, von den Auslegern bekanntlich umstrit-
tene, platonische Fassung des Ideenbegriffes abgelehnt. Es folgt aber
aus dem Dargelegten, daß wir auch die reine „Immanenz“ der
Idee in den Dingen ablehnen müssen, denn bei reiner Immanenz
verschwände zwar die Teilnahme, aber es ginge dann das Ganze in
den Teilen auf. Nach dem Satz: „Das Ganze geht in den Teilen nicht
unter“, ist reine Immanenz, da sie ein Aufgehen bedeutet, begrifflich
unmöglich. Die Selbstbewahrung, Unveräußerlichkeit des Ganzen in
ihrem unausgegliederten Grunde entscheidet diese Frage zuletzt.
Der aristotelisch-scholastische Begriff der „Immanenz“ erfährt hier,
so dürfen wir sagen, eine Berichtigung durch den Begriff des Enthal-
ten-Bleibens des Gliedes im Ganzen, die Rückverbundenheit. Dabei
setzen wir / den wiederholt erörterten Lehrbegriff, daß das Glied
in seinem Eigenleben sich aktuell vom Ganzen getrennt finde, hier
voraus. Es ist zu betonen, daß schon dieser Lehrbegriff allein j e d e
I m m a n e n z i m S i n n e e i n e s M o n i s m u s u n d P a n -
t h e i s m u s a u s s c h l i e ß t .