[397/398]
359
Dies alles erwogen, folgt:
(1)
Es gibt keine Teilnahme des Gliedes am Ganzen.
(2)
An die S t e l l e d e r „ T e i l n a h m e “ t r i t t d i e
R ü c k v e r b u n d e n h e i t d e s G l i e d e s .
Der Begriff der Rückverbundenheit und der Begriff der Selb-
fremdheit des Gliedes ist es erst, welcher das Verhältnis von Gan-
zem und Glied vollständig aufklärt und den an sich unvollziehbaren
Begriff der Teilnahme oder participatio ersetzt.
Wie steht es, so müssen wir nun weiter fragen, mit dem Begriff
der Teilnahme, wenn das Glied in seinem genetischen, nicht bloß im
systematischen Zusammenhang betrachtet wird? In genetischer Hin-
sicht galt uns der Satz: Ganzes kommt nur aus Ganzem. Darum tritt
in der Erfahrung niemals eine vom Himmel gefallene Ganzheit in
Teile auseinander — sondern sie ist immer schon da, sie kommt
(als Keim) von einem anderen Ganzen her und vollendet sich nur
durch entfaltende Umgliederung. Das Aktuelle ist g e n e t i s c h
immer das Erste, in welchem Sinne allein der aristotelische Satz
gilt: „Der Akt ist früher als die Potenz“ — wäre also dem aktuell
jeweils schon Vorhandenen nicht doch „Teilnahme“ möglich, in
dem Sinne, daß es schon vor der Teilnahme da ist? — Demgegen-
über ist zuerst festzustellen, daß im Gang der Umgliederung das
Ganze (das sich als actus purus dem Teil gegenüber verhält) das
Glied s e t z t , das heißt es ausgliedert; wofür der ausführlich
erörterte Fall, wie die Leistung den Leistungsträger, die Leistung
das Organ schafft, ein Beispiel bildet. Entscheidend ist hier, daß in
diesem Setzen nicht Teilnahme, sondern vielmehr Rückverbunden-
heit mit inbegriffen ist, da es keine Ausgliederung ohne Rückver-
bundenheit des Ausgegliederten gibt. Und da diese Rückverbunden-
heit, wie / wir sahen, Selbstaufhebung ist, da ein Lebenskreislauf
der Selbstaufhebung und der Neuschöpfung des Gliedes den Bestand
jeder Ganzheit ausmacht, so löst sich die „Teilnahme“ auch hier
wieder auf. Sie ist unmöglich eine Teilnahme eines (vor der Teil-
nahme) schon Bestehenden, sondern ein Verflochtensein in den Exi-
stenzkreislauf der Ganzheit selber, ein Gliedsein
1
.
1
Vgl. dazu die oben S. 273 f. gegebene Begründung des Satzes: „Rückverbun-
denheit ist vor Ausgliederung, Selbfremdheit vor Selbgleichheit.“