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III. Teilnahme (

μέϋεξις

)

Schon öfters ist in unseren früheren Untersuchungen die Frage

auf getaucht, in welchem Sinne von einer „Teilnahme“ des Gliedes

am Ganzen gesprochen werden könne. Nun erst haben wir alle Vor-

dersätze in der Hand, die uns zu einer Behandlung dieser schwieri-

gen Frage am besten rüsten.

Bei Platon spielt bekanntlich der Begriff der ,„

μέϋεξις

“ oder Teil-

nahme (participatio, auch

μίμησις,

Nachahmung, /

κοινωνία,

Ge-

meinschaft) eine entscheidende Rolle. Sofern die platonischen Ideen

als jenseitige, abgetrennt von den Dingen gedacht werden, nicht den

Dingen immanent wie bei Aristoteles, entsteht die Frage, wie ihre

Darstellung in der Welt möglich sei? Platons Antwort lautet: Da-

durch, daß die Dinge an ihren Ideen „teilnehmen“. Entsprechend

erhalten die Dinge erst durch „Teilnahme“ an den Ideen Wirklich-

keit, die Gedanken Wahrheit

1

.

Hier entsteht aber eine unüberwindliche Schwierigkeit. Wenn die

Dinge an ihren Ideen oder die Glieder an ihren Ganzheiten (in die-

sem Zusammenhang sei diese Gliederung erlaubt) „teilnehmen“,

dann müßten sie schon dagewesen sein, bevor sie teilnehmen, wäh-

rend ihnen doch erst die Teilnahme Sein und Wesen geben soll. Sie

müßten vor ihrer Teilnahme das sein, was sie doch erst durch Teil-

1

Vgl. die Nachweise bei Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Bd 1:

Vorgeschichte und Geschichte des antiken Idealismus, 2. Aufl., Braunschweig 1907,

S. 431 ff. Eduard Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen

Entwicklung dargestellt, TI 2, Abteilung 1: Sokrates und die Sokratiker, 5. Aufl.,

Leipzig 1922, S. 643 ff., besonders S. 686 ff., 744 ff. und öfter, sowie den Anhang

von Ernst Hoffmann, S. 1093. — Auch in der scholastischen Philosophie findet

das Problem keine Lösung, wie die folgenden Sätze T h o m a s ’ zeigen: Parti-

cipans est in potentia ad participatum (8 phys. 2 1 c ) ; Omne participatum compa-

ratur ad participans ut actus eius (th. I. 73. 5 ad 4) — jedes Ding, an dem etwas

teilnimmt, verhält sich zu dem an ihm Teilnehmenden wie dessen Wirklichkeit.

Ferner heißt es: Omne participans componitur ex participante et participato —

angeführt nach Ludwig Schütz: Thomas-Lexikon, 2. Aufl., Paderborn 1895, S. 563.

Diese Sätze sind dadurch bemerkenswert, daß sie nur das Verhältnis von Aktus

und Potenz, zwischen Teilnehmendem (Gliede) und jenem, an welchem teilge-

nommen wird (dem Ganzen), festlegen. Es ist aber damit bei Thomas so wenig

wie bei Platon aufgeklärt, wieso dasjenige, was nur P o t e n z eines Aktus ist,

an ihm „teilnehmen“ könne — da es doch vor dem Akt nicht ist. Wenn daher

auch keiner der obigen Sätze unrichtig ist, bleibt doch das Problem ungelöst,

was eigentlich „Teilnahme“ sei. Es wird bloß das Möglichkeits- und Wirklich-

keitsverhältnis, das dabei statthat, bestimmt.