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der Glieder nur dann optimal ist, wenn die Einzelleistungen in
einer sinnvollen Entsprechung stehen, daß diese nur fruchtbar wer-
den können, wenn ihre Rangordnung erkannt und befolgt wird,
ergab sich aus der Analyse der Wirtschaft ebenso wie die Kategorien
der Stufen, Teilinhalte und des Eigenlebens. Wer auch selbst die
Wirtschaft mit der Erlebnistiefe und systematischen Gestaltungs-
kraft Spanns als eine lebendige, organische zu sehen vermochte und
nicht als eine tote, mechanisch sich vollziehende, dem mußte sich
aus ihren inneren Funktionszusammenhängen, weil sie durchaus
geistiger Art sind, schließlich die grundsätzliche Ausgliederungs-
ordnung der geistigen und geistbestimmten organischen Welt of-
fenbaren! So kann man füglich sagen: Das Fundament der Volks-
wirtschaftslehre wurde zum Fundament der ganzheitlichen Philo-
sophie Othmar Spanns.
Dies natürlich vor allem im genetischen, entstehungsgeschicht-
lichen Sinne. Systematisch war es für einen geborenen Philosophen
eher umgekehrt. Weil er die seinem Geiste innewohnende Welt-
ordnung zutiefst erlebte, hat sie ihm den Weg gewiesen bei der
Zergliederung sogar der nüchternsten Erscheinungen dieser Welt,
bei der wissenschaftlichen Analyse der Wirtschaft. Aber die Be-
schäftigung mit ihr war nicht eigentlich der „Umweg“ zur Philo-
sophie, sondern der kürzeste Pfad des Aufstieges zu ihr. Am harten,
für ihn wahrlich schicksalhaften Stein, aus dem er sein Fundament
der Volkswirtschaftslehre erbaute, hat dieser Philosophengeist zu
seiner großen Lebensaufgabe gefunden, so daß sich an ihm, an seiner
Philosophie das von ihm zitierte herrliche Wort Hölderlins erfül-
len sollte: „Des Herzens Woge schäumte nicht so schön empor und
würde Geist — Wenn nicht der alte stumme Fels, das Schicksal, ihr
entgegenstände.“
1
Mit der „Ausgliederungsordnung“ aber konnte sich wohl der
Nationalökonom begnügen, nicht jedoch der Philosoph. Denn
Spanns schöpferisches Wirken war vom Anfang, weil vom Wesen her
bestimmt durch jenen Zug, der die ganze Kategorienlehre durch-
zieht: Ausgliederung der Ganzheit, die der in ihr rückverbundene
Geist innerlich erlebt. Die Rückverbundenheit ist das eigentliche
Geheimnis an Spanns Lehre. In seinem Entwicklungsgang ist sie das
stets Vorwärtstreibende, das Beflügelnde seiner ganzen Philosophie.
1
Vgl. Othmar Spann: Philosophenspiegel (1933), 2. Aufl., Wien 1950, S. 136.