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[XVI/XVII]

Atheismus. Jenes „aus Dir allein“ löst den Menschen heraus aus

jedem Ganzen indem es ihn auf sich selbst stellt, indem es ihn ab-

trennt von seinem Nähr- und Mutterboden, dem Ganzen der Ge-

sellschaft und der Welt, ihn vereinsamt, ihn dadurch innerlich ver-

armen und verkümmern läßt. Ohne das „Über-Dir“ ist der Mensch

nur auf sich selbst gewiesen, ist er nur Einzelner und verliert sich

selbst. Was im „Über-Dir“ nicht gebunden ist, trägt den Keim der

Vernichtung an sich.

Ermißt man nun, was es heißt, „Aus Dir allein“? Es heißt, daß

ein Uberindividuelles, ein Höheres, ein Dich Bildendes und Tragen-

des, daß eine Mitte, worin der Mensch gründen und Glied sein

könnte, nicht anerkannt noch gefunden wird. Und darum löst dieses

Zauberwort alles aus seinen Ganzheiten heraus, beraubt jegliches

Einzelne seiner Bildekräfte, und läßt es welk und schwach werden.

Die P h i l o s o p h i e , d i e d i e s e s s c h w a r z e Z a u -

b e r w o r t s p r i c h t , d i e d a s „ A u s D i r a l l e i n “

v o r s p i e g e l t , i s t d e r E m p i r i s m u s ; d i e G e s e l l -

s c h a f t s l e h r e , d i e e s s p r i c h t , d e r I n d i v i d u a -

l i s m u s .

Wie darum von alters her U n i v e r s a l i s m u s u n d I n d i -

v i d u a l i s m u s sich in der Gesellschaftslehre gegenüberstehen,

so auch in der Philosophie I d e a l i s m u s u n d E m p i r i s -

m u s .

Zwei Urgegensätze sind es, die sich wie Licht und Dunkel durch

die Geschichte der Welt- und Lebensauffassung hindurch / ziehen.

Zwei Urworte sind es, die mit ihrem Streit die Welt erfüllen.

Den innigen Zusammenhang der Gesellschafts- mit der Weltauf-

fassung hat die vorstehende Betrachtung angedeutet. Was sollte auch

natürlicher sein, als daß Lebens- und Weltanschauung zusammen be-

stehen und zuletzt eine Einheit bilden? — Den Gegensatz Univer-

salismus — Individualismus hat der Verfasser in vielen Schriften

dargestellt; auch meine „Gesellschaftsphilosophie“ wird ihn in seiner

Weise weiter entwickeln. Darum lassen wir nun die Gesellschafts-

auffassung beiseite und sprechen nur von der Philosophie im

engeren Sinne.