[XXII/XXIII]
9
aufgelöst. Damit sind aber die Begriffe Entelechie, Zweck, Ganzheit
ausgeschaltet und werden ersetzt durch den
B e g r i f f d e s m e c h a n i s c h e n A b l a u f e s . Dieser Be-
griff gilt zuerst für das Naturgeschehen, dann auch für das geistige
und geschichtliche Geschehen. Die m e c h a n i s c h e U r s ä c h -
l i c h k e i t wird zum tragenden Begriff aller Verfahrenlehre.
Der Begriff einer mechanischen Ursächlichkeit, das heißt einer
nicht-sinnvollen Verknüpfung des Geschehens, wird wieder am
entschiedensten durchgeführt, wenn das Geschehen aus der Verbin-
dung, aus dem Zusammentreten und Auseinandertreten letzter Ur-
Teilchen erklärt wird,
der A t o m e . Der Atombegriff tritt an die Stelle des Ideen-
begriffes sowie des Ding- und Substanzbegriffes, des Seelenbegriffes.
Wie die Naturwissenschaft ohne Weltganzes, so die „Psychologie
ohne Seele“. In den Gesellschaftswissenschaften entspricht dem Be-
griff des Atoms der des autarken I n d i v i d u u m s . Lebenslehre,
Seelenlehre, Gesellschafts- und Wirtschaftslehre, sie alle wollen nun
mathematisch-mechanische Verfahren ebenso anwenden wie die
Physik und Chemie. — Die Wahrheit des Erkennens, welche durch
die „Idee“ Platons, die „Form“ Aristoteles’, das „Apriori“ Kantens,
den „Begriff“ Hegels begründet werden soll, ist in einer Welt
schlechthin / wechselnder Erfahrung, in einer Tatsachenwelt, die in
keinem Sinne mehr Ausdruck und Gestaltung des Übersinnlichen
wird, unmöglich. Daher tritt
der R e l a t i v i s m u s ,
S u b j e k t i v i s m u s ,
S k e p t i -
z i s m u s an die Stelle aller Erkenntnistheorie. Statt des Grund-
satzes: „Gott ist das Maß aller Dinge“, des Deus-mensura-Satzes,
gilt der Grundsatz: der Mensch ist das Maß aller Dinge, der homo-
mensura-Satz. — Relationsbegriff und mechanische Ursächlichkeit
in der Logik und Verfahrenlehre, Relativismus in der Erkenntnis-
theorie führen daher von selbst zum
E m p i r i s m u s , P o s i t i v i s m u s , N a t u r a l i s m u s so-
wohl als Verfahren aller Wissenschaften wie als Lehrgebäude der
Philosophie gedacht. Die inneren Abweichungen, die mit diesen
Namen verbunden werden, sind in Wahrheit gering, sie sind mehr
Wort als Sache. — Ebenso steht es endlich in Gesellschaft und Ge-
schichte. Es stehen die Begriffe objektiver Geist, gesellschaftlicher
Objektivismus, gegen