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[XVIII/XIX]

Es ist ein Vorurteil unseres Zeitalters, daß jede Philosophie einen

anderen Inhalt, jeder Philosoph eine andere Lehre habe. Für den

Schüler freilich, wenn er ein Lehrbuch der Geschichte der Philoso-

phie durchblättert, ist alles bunt und mannigfaltig. Wer nur an der

Oberfläche der philosophischen Lehrgebäude bleibt, der findet über-

all die Überfülle verschiedener Namen, Begriffe, Lehrformen, Mei-

nungen. Dringt er aber in die Tiefe vor, so erkennt er überall jene

beiden Grundzusammenhänge und auch innerhalb ihrer das Unter-

geordnete aller Verschiedenheiten. Er erkennt überall dieselben

letzten Auffassungen, dieselbe Richtung, denselben Fragenkreis,

dasselbe Rüstzeug und die innig verwandten Lösungen. Was bei

Platon „Idee“ heißt, heißt bei Aristoteles „Form“, in der Scholastik

„universale“, bei Kant „Apriori“ / und „Ding an sich“, bei Flegel

„Begriff“. Das sind sehr verschiedene Namen, aber dahinter verbirgt

sich die gleiche Grundauffassung. Es ist ein einziges Geschlecht der

Philosophie, das Geschlecht idealistischen Denkens und nach oben

strebenden Gemütes. Und ebenso im anderen Lager: Was bei den

Alten „Sophistik“, „Skepsis“, „Hedonismus“ heißt, heißt bei den

Neueren „Nominalismus“, „Empirismus“, „Relativismus“, „Positi-

vismus“, „Agnostizismus“, „Utilitarismus“. Das alles ist ein einziges

Geschlecht der Philosophie, das Geschlecht empiristisch-materialisti-

schen Denkens und zur Erde lastenden Gemütes.

Seit langem ist es die Überzeugung des Verfassers (mit der er

übrigens nicht allein steht), daß gerade in der idealistischen Philoso-

phie von Urzeiten her stets dieselben Grundlehren vorgetragen

werden und stets dieselben Streitigkeiten zu schlichten sind. Es sind

viele und nicht unwichtige Streitpunkte da. Aber was will dieser

häusliche Streit bedeuten im Vergleiche zur inneren Übereinstim-

mung und im Vergleiche mit jenem himmelweiten Gegensatze zum

Empirismus und Materialismus? Wer je in den Kern der idealisti-

schen Philosophie eindrang, fühlt sich durch die Übereinstimmung

aller ihrer Grundgedanken, durch den Glanz des vereinten Lichtes

ihrer Lehren mächtig berührt und wie neugeboren.

Es ist ein kleiner Kreis von Fragen und Denkaufgaben, die der

I d e a l i s m u s aller Zeiten in der Philosophie behandelt und mit

arteigenen Begriffen zu lösen versucht. Welcher Fragenkreis?

Überall und notwendig steht in der Mitte des Idealismus das