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möglich. So vor allem, wenn starke räumliche Trennung eintritt und
die einzelnen Gemeinschaften dann auf sich angewiesen sind. Es ist dann
nicht der neue Lebensraum, die neuen äußeren Daseinsbedingungen,
sondern
vielmehr
der
in
sich
geschlossene,
selbständige
Vergemeinschaftungsprozeß (der trotz gleicher Sprache mit der
Mutternation nur wenig Verbindung hat), welcher die relative
Selbständigkeit der neuen Nationalität begründet. Es ist dies der klassische
Fall der Kolonialvölker. Australier und Amerikaner haben sich von
England, Afrikaner von Holland, Frankokanadier von Frankreich losgesagt.
Politische und wirtschaftliche Konflikte mit dem Mutterlande bilden bloß
den Anlaß, eine innerlich schon vollzogene Trennung auch äußerlich zum
Bewußtsein und eventuell zur politischen Durchführung zu bringen. Die
Verschiedenheit der neuen Gemeinschaft von der Mutternation braucht
dabei nicht sehr groß zu sein, so daß noch innige Verbindung und
Sympathie bestehen bleiben kann, wie es z. B. im Verhältnis Australiens zu
England usw. der Fall ist. Wenn aber zur Trennung noch große
Rassenverschiedenheiten hinzukommen, wird die vergemeinschaftende
Bedeutung der Sprache ganz in den Hintergrund treten. So namentlich bei
den spanisch und portugiesisch sprechenden Südamerikanern, aber auch in
den Vereinigten Staaten. — Nicht so kraß, aber doch im Grundsatze gleich
liegt der Fall der Norweger gegenüber den Dänen. Die Sprachgleichheit
vermag die inneren, räumlich, rassenmäßig, geschichtlich usw. bedingten
Verschiedenheiten der Gemeinschaft nicht zu überbrücken.
Die E r s c h e i n u n g e n n a t i o n a l e r E i n h e i t t r o t z
v e r s c h i e d e n e r S p r a c h e s i n d s o m i t a l l e d u r c h d i e
T a t s a c h e d e s n u r g r a d u e l l e n C h a r a k t e r s d e r
A b g r e n z u n g n a t i o n a l e r G e m e i n s c h a f t e n d u r c h
S p r a c h g l e i c h h e i t z u e r k l ä r e n ; d i e n a t i o n a l e
T r e n n u n g t r o t z S p r a c h g l e i c h h e i t d u r c h d i e
i n n e r e
S e l b s t ä n d i g k e i t
d e s
K u l t u r i n h a l t e s
v e r s c h i e d e n e r , a u f s e l b s t ä n d i g e W e i s e s i c h
b i l d e n d e r G e m e i n s c h a f t e n , welche in anderen Bedingungen
als (der bloß formalen Bedingung) der Sprache ihren Schwerpunkt haben;
Übergangsstadien in beiden Fällen erklären sich wieder durch den bloß
graduellen
Charakter
der
organischen
Einheitlichkeit
jeder
Kulturgemeinschaft (nationalen Gemeinschaft). — Im