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Diesem Begriff der Nation entspricht es auch, daß jede
nationalpolitische Bewegung eine Kulturbewegung ist; und zwar sowohl,
wenn sie sich auf äußere Bedingungen nationalen Lebens, insbesondere auf
den Staat richtet, wie im Jahre 1813, als auch, wenn sie unmittelbar auf die
Pflege von Kulturwerten ausgeht. Im letzteren Falle wird allerdings mehr
an der Oberfläche gearbeitet, was bei Massenbewegungen nicht anders
möglich ist. Man denke etwa an die Arbeit der nationalen Schutzvereine
in Österreich, der Studentenverbindungen und dergleichen. Daß die
nationalen Parteien praktisch auch zugleich Wirtschaftsparteien sind, ist
eine Sache für sich, als solche fördern sie einzelne Interessen, nicht
nationale Werte. Sofern sie aber den nationalen Grundsatz auch da zur
Geltung bringen, werden sie jenen gerechten Ausgleich zwischen den
Klassen anstreben, welcher die besten äußeren Bedingungen für ein
Gedeihen der geistigen Gemeinschaft, der spezifisch nationalen Kultur
herstellt.
Aus dem Begriff der Nation folgt auch, daß die Förderung der
B i l d u n g vor allem eine nationale Sache ist. National sein heißt zu
allererst: bilde dich, füge dich in das geistige Ganze der Nation ein, indem
du seinen Inhalt in dir aufnimmst. Ungebildete können nur recht passive
Glieder im geistigen Körper der Nation werden. Je umfassender die
Bildung, je wahrer und tiefer, desto glänzender und erhabener wird die
Gemeinschaft in ihrer Entwicklung aufsteigen und den nationalen Geist
zur reinen Entfaltung bringen.