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im aristotelischen Sinne (schöpferischer Wesensgrund der Dinge);
die I d e e im platonischen Sinne; der B e g r i f f im hegelischen
Sinne, — sie allein bestimmt den Wesens- oder Sach-Gehalt des ein-
zelnen sinnfälligen Dinges (des Kompositums). Darum ist das be-
griffliche Wesen oder die Substanz im rein logisdien Sinne die Sub-
stanz im eigentlichsten Verstande und Aristoteles nennt darum auch
sie, nicht nur die Einzeldinge, die erste Substanz,
πρώτη ούσία.
„Form aber ist das wesentliche Sein eines Dinges und die erste Sub-
stanz“, sagt Aristoteles in der Metaphysik
1
.
Von diesem Begriffe der Substanz aus — (im Sinne der logischen
Form oder Idee, in dem wir das Wort nun ausschließlich gebrauchen
wollen) — ist es verständlich, daß Aristoteles zu der Folgerung
kommt: das Dasein gehöre bei keinem Gegenstande zum Wesen:
τό δ’ είναι οϋχ ούσία ούδενί
2
.
Die Scholastiker folgen im allgemeinen diesem Gedankengang.
Nur in Gott fallen Wesenheit und Dasein zusammen. In Deo essentia
et esse sunt idem. Bei den Gegenständen aber ist id quod est und id
quo est, das, was ist und daß es ist, zu trennen.
Die Trennung von Wesen und Sein liegt auch im Sinne des
N o m i n a l i s m u s , für den das Gedachte keineswegs „sein“ muß.
Wir finden sie im deutschen Idealismus wieder. Sie liegt ferner im
Sinne K a n t e n s , weil die Realität nur eine Kategorie unter ande-
ren ist — die also wegfallen kann, etwa nach dem von ihm (gegen
den ontologischen Gottesbeweis) gebrauchten Beispiele, daß hundert
gedachte Taler keine / hundert wirklichen Taler wären
3
. Die Tren-
) nicht mehr rückverbindend wird.
r bis zuletzt damit rang
4
.
S c h e l l i n g treibt sie so weit, daß er sogar in Gott Wesenheit
und Dasein nicht ohne weiteres zusammenfallen läßt, was mit seiner
Lehre von einer „Natur in Gott“ zusammenhängt
5
. — H e g e l
dagegen nimmt eine Ausnahmestellung ein, wie schon der bekannte
1
Aristoteles: Metaphysik,
VII,
7, 1032 h, 2: vgl. VII, 11, 1037 a, wo die
Seele die erste Substanz des Leibes genannt wird; ferner auch 1037 b und öfter.
2
Analytica posteriorum, II, 7, 92 b, 13. — Dagegen Metaphysik VII, 3:
„τό είδος τής ϋλης
πρότερον χαί μάλλον όν.
3
Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Originalausgabe neu
herausgegeben von Raymund Schmidt, Leipzig 1926, S. 627 (= Philosophische Bi-
bliothek, Bd 37 d).
4
Schelling: Sämtliche Werke, Abt. 2, Bd 1, Stuttgart 1856, S. 276 ff. und öfter.
5
Mehr darüber siehe unten Zweites Buch: Gotteslehre, S. 121 f.