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sein. Auch birgt das Kommende das Zu-erschaffende in sich; damit
fände sich aber Gott selbst jeweils erschaffen und müßte diese Vor-
gefundene Erschaffenheit ausführen. Wie sich oben
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ergab, müssen
aber im Urschaffen, wenn anders überhaupt etwas darüber be-
stimmt werden kann, gerade diese beiden Seiten des geschöpflichen
Schaffens: das Erschaffen-Werden und das Schaffen, zusammenfallen.
Das Urschaffen hat nicht die Form des Werdens, es hat nicht die
Form der Zeit.
II.
Die Einheit
Dagegen folgt hieraus (nämlich, daß in Gott nichts vorlängst
Geschaffenes und nichts neu zu Erschaffendes sei), wie überhaupt
auch aus dem Zusammenfallen des Geschaffen-Werdens und Schaf-
fens: die E i n h e i t . Bei / diesem grundlegenden Lehrpunkte
gilt es ausführlicher zu verweilen.
Wie kann man sich die viel berufene, von den Eleaten bis zu
Schelling und Hegel immer wieder angezogene Einheit des höch-
sten Seins klarmachen? Nicht dadurch, daß man ein bestimmungs-
loses, ein unterschiedsloses Sein, ein nacktes Sein annimmt! Denn
wie könnte man diesem „Einheit“ zusprechen, wie sollte ein be-
stimmungsloses, unterschiedsloses und damit notwendig blindes
Sein innere Einheit erlangen? Es könnte höchstens der Zahl nach
„1“, nie aber dem Wesen nach E i n h e i t bilden! Nur wo Ver-
schiedenheit ist, kann Einheit sein, nur das Mannigfache kann ver-
einheitlicht werden oder aus innerer Einheit sich ausgliedern. Was
unterschiedslos ist, ist weder Vieles noch Einheit, ja strenggenom-
men nicht einmal „1“, sondern ganz zu Ende gedacht: nichts! Man
kann nun diese Einheit weder durch die Unterstellung eines blin-
den, unvordenklichen Seins erlangen, wie wir es oben
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Schelling
vergebens versuchen sahen. Man kann sie aber auch nicht dadurch
erlangen, daß man das unbestimmte, unterschiedslose Sein hinter-
drein „bestimmt“, „begrenzt“, „gestaltet“ werden läßt, daß man
nämlich zu ihm als einem Unbestimmten oder
άπειρον,
Chaos,
1
Siehe oben S. 128 f.
2
Siehe oben S. 121 ff.