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Wie sich hieran die Selbstgenüge, die Vollkommenheit, die Einzigkeit und
alle jene weiteren Eigenschaften anschließen, die alle aus der Dasselbigkeit von
Schauen und Wirken, von Denken und Sein (denn das Gedachte ist auch Seien-
des, das heißt Schaffendes), von Endlichem (Begriff, Bestimmtheit) und Unend-
lichem (vollkommene Einheit des Schaffenszusammenhanges, der keine Grenzen,
keine Trübung in sich hat), von Unbewegtheit (In-sich-Beruhen) und Bewegung
(Schaffen) folgen und die eine geläuterte christliche Gotteslehre mit Recht von
Gott aussagt — das alles soll hier nicht mehr ausgeführt werden. Das Urschaffen,
die darinliegende vollkommene Einheit ist es, daran uns alles dieses verständ-
lich wurde.
V.
Urschaffen, Ursein
Das Urschaffende ist auch das Urseiende, das absolut Schaffende
ist allein wahrhaft seiend, das
όντως όν.
Nur das Ursein trägt
das Sein der Welt, nur der Schöpfer trägt das Geschöpf, nur das
Urschaffen trägt das abgeleitete Schaffen, denn nur aus Geschaf-
fen-Werden gibt es geschöpfliches Schaffen. Darum sagte Meister
Eckehart und traf sich darin mit den Weisen der alten Welt: „Die
Gottheit hat aller Dinge Kraft in ihr und hat keine Gleichheit mit
den Dingen“ und „Ich spriche, alle crêatûre sint ein wesen...
wesen ist so luter unde sô hôch unde got sô sippe, daz nieman wesen
geben kan, wan got alleine ..
Gott ist das Sein, Deus est esse.
/
1
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857,
S. 514, Zeile 10 und S. 263, Zeile 3.
Zu dem Satze „Deus est esse“ vgl. Otto Karrer: Meister Eckhart, Das
System seiner religiösen Lehre und Lebensweisheit, München 1926, S. 64 f., 82 f.,
210, Anmerkung 26 und öfter.