Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4445 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4445 / 9133 Next Page
Page Background

[141/142]

133

die Stelle des engen Fadens eine gewaltige Bahn, so erschiene eine

ungeheure Menge seelischer Erregungen gleichzeitig in diesem hel-

len Lichte, es ginge die Fülle des Geschaffenen zugleich in Schaffen /

auf. Nicht mehr in schrittweis mühevollem dünngereihten Denken,

sondern in gewaltiger Fülle allganzer Intuition steht nun dieses hö-

here Denken vor uns. Wenn wir unter „Hellsehen“ einen erhöhten

Zustand des Wahrnehmens zu verstehen gewöhnt sind, so dürfen

wir jenen ungeheuer gesteigerten Zustande des Erlebens, der Denk-

Schau, ein Hellbewußtsein, ein H e l l d e n k e n nennen, in wel-

chem der Strom des Bewußtseins wie in gewaltigen Meereswogen

rollt.

Die Einheit des göttlichen Seins, so wird uns klar, ist als solches

Hellbewußtsein und Überbewußtsein, in dem das Urschaffen nicht

als ein Faden, sondern als ein rundes, vollgenügendes Ganzes, gleich-

sam als eine Kugel erscheint, die alles gleichzeitig und identisch

enthält, nicht als ein Faden, an welchem stückweise aufgereiht wird.

Wenn auch „Helldenken“ und „Hellsehen“ hierfür nur „bildliche“

Begriffe sind, so weisen sie doch auf die lautere Wirklichkeit als

jene schaffende Tätigkeit hin, in der alles Geschaffene in Schaffen

aufgegangen ist und so j e n e s Z u s a m m e n f a l l e n v o n

G e s c h a f f e n - W e r d e n u n d S c h a f f e n k e i n l e e -

r e s W o r t m e h r b l e i b t , sondern an einem dem mensch-

lichen Denken selbst geschenkten Abglanze davon genau bestimm-

bar und verständlich wird.

IV. Selbstschau

An dieser Stelle zeigt sich das „Sich-selbst-Betrachten“

(θεωρεϊν)

Gottes, worin nach Aristoteles seine lautere Wirklichkeit besteht,

als eine Bestimmung, die leicht mißverständlich aufgefaßt werden

konnte, in einem neuen Lichte. Man muß zugeben, daß S c h e l -

l i n g s

1

Einwand in einer Beziehung den rechten Ton traf. Die

„Selbstbetrachtung“ darf keinesfalls so verstanden werden, als ob sie

den Inhalt des göttlichen Denkens zum „G e g e n s t a n d e“ (Ob-

jekt) nähme. Denn damit wäre etwas Erleidendes, eine Potenz in

Gott. Gerade das will aber der Begriff der lauteren Wirklichkeit

1

Siehe oben S.

121.