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C.
Das N i c h t - E r s c h e i n e n d e s s i c h
a u s g l i e d e r n d e n G a n z e n a l s s o l c h e n
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In dem Satze: „Das Ganze als solches hat kein Dasein“ (es wird
in den Gliedern geboren, geht aber in diesen nicht unter
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), zeigt
sich das „Ganze als solches“ in seinem Vorsein; es zeigt / sich als
eine höhere Ebene. Hier haben wir dieselbe Grunderscheinung wie
die Rückverbundenheit vor uns, nur von einer anderen Seite her ge-
sehen. Die Bedingung des ausgegliederten, endlichen, sich selbst glei-
chen Seins ist hier nicht in ihrer eigenen Ebene gelegen. Nicht nach
Weise der Ursächlichkeit wird hier das eine auf die Wirkung aus
dem anderen zurückgeführt, was eine Kette ohne Ende wäre; son-
dern eine höhere Ebene erweist sich als die Wurzel der niederen.
Hier wird das unmittelbar Endliche in der r e i n e n A n a l y s e
auf ein Überendliches zurückgeführt — aber nicht in endlicher
Weise. Denn jenes Überendliche erscheint als solches nicht! In die-
sem mittelbaren Sinne wird die endliche Ebene überschritten und
aus einem Bedingenden höherer Ordnung begriffen. Es wird nicht
die Gestalt, sondern das Gestaltende, nicht die Erscheinung, sondern
das Erscheinende, nicht das Wesen, sondern das Wesende, nicht das
Dasein, sondern das Daseingebende oder Vorsein, nicht das Das-
selbige, sondern das Selbfremde von dem zergliedernden Denken
erkannt.
IV. Die Gottesbeweise in ihrer Einheit
Die vorstehenden Untersuchungen haben die Möglichkeit eines
Gottesbeweises aufgezeigt, da wir erkannten, daß im Denken des
Endlichen das Über-Endliche k a t e g o r i a l schon mitgedacht
wird. Da aber das Überendliche, einmal anerkannt, notwendig den
Vorrang haben muß, so folgt weiter: Das D e n k e n d e s
Ü b e r e n d l i c h e n i s t d i e B e d i n g u n g f ü r d a s
D e n k e n d e s E n d l i c h e n .
Hiermit ist die uralte Lehre, daß Gott das zuerst und am meisten
von uns Erkannte ist, wiedergewonnen.
Unser ganzes Denken ist ein einziger Gottesbeweis, es beruht auf
1
Kategorienlehre, S. 6o ff.