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andern Sinne fasse. Nicht der G e i s t ist es, der jene Qualitäten

der Materie anerschafft. Der Geist, der nur denken und sich auf sich

selbst beziehen kann, kann auch niemals „weiß“ sein oder im räum-

lichen / Sinne „rund“

1

.

In der Gezweiung höherer Ordnung zwischen reiner Geisteswelt

(Ideenwelt) und stofflicher Welt tritt einander zwar etwas Gleich-

ursprüngliches gegenüber. „G l e i c h u r s p r ü n g l i c h k e i t “

s c h l i e ß t a b e r n i c h t d e n V o r r a n g d e s G e i s t i -

g e n v o r d e m S t o f f l i c h e n a u s ; es schließt nur die Gene-

sis auseinander aus. Indem wir die genetische Stufenfolge ausschlie-

ßen, schließen wir noch nicht die R a n g f o l g e der Seinsordnun-

gen nach Wesen und Wert aus. Wo Niederes und Höheres mitein-

ander in Gezweiung tritt, ist aber der Erfolg für beide verschieden!

Die Gezweiung geschieht dann nach den beiden Sätzen:

Das N i e d e r e m a c h t d e m H ö h e r e n G r u n d und

gibt ihm die Fülle seiner eigenen Inhalte (der Geist erhält die In-

halte der Sinnlichkeit, indem es ihm zur Entfaltung verhilft; das

H ö h e r e e r h e b t d a s N i e d e r e z u r W i r k l i c h -

k e i t und verbindet es mit sich, soweit es dazu seiner Natur nach

fähig ist (zum Beispiel: der anorganische Stoff wird zum organi-

schen Leib erhöht).

Beide Sätze weisen uns abermals auf die Frage zurück: Was ist

Materie? Denn nur von dieser Frage aus kann die Gezweiung höhe-

rer Ordnung zwischen Geist und Materie verständlich werden. Wir

traten schon oben der antiken Ansicht entgegen, wonach der Stoff

an sich selbst das Leere, das nur „Mögliche“ wäre. Und ebenso

ist die Schelling-Hegelische Ansicht, wonach er die „Entäußerung“,

das „Anderssein“, die „Depotenzierung“ des Geistes wäre

2

, zurück-

zuweisen.

Materie als Inbegriff eines bloß „Aufnehmenden“, einer schlecht-

hin leeren, passiven Möglichkeit, erweist sich als ein unvollziehbarer

Gedanke. Was an sich leer wäre, könnte auch / nichts „aufnehmen“,

was an sich selbst bestimmungslos nichts wäre, wie sollte es über-

1

Siehe darüber unten Fünftes Buch: Naturphilosophie, und Sechstes Buch:

Ideenlehre, Abschnitt V, S. 439 ff.

2

Siehe oben S. 170.