Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4489 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4489 / 9133 Next Page
Page Background

[191/192]

177

logie, darstellt

1

; die stoffliche Ordnung durch jenes System zusam-

menhängender Bestimmtheiten, wie es die Naturwissenschaften dar-

stellen.

Das Wesentlichste, wozu uns der Begriff der Gezweiung höherer

Ordnung immer wieder führt, ist also: daß die beiden Grundglie-

der, die Seinsordnungen Stoff und Geist, in ihrem Inhalte und in

ihrer Seinsfülle je in sich selbst bestimmt sind, nicht aber erst durch-

einander bestimmt werden, insbesondere die Stoffwelt nicht geistig

bestimmt wird. Daß das Gesetz der Schwerkraft keine geistige Be-

stimmung ist, hoben wir schon hervor und leuchtet ein. Aber auch

umgekehrt zeigt sich das Geistige durch die Naturform nicht selbst,

das heißt nicht in seiner inneren Gliederung, bestimmbar. Was

sollte zum Beispiel im logischen, im sittlichen, im ästhetischen, im

religiösen Bereiche die Bestimmung „umgekehrt proportional mit

dem Quadrate der Entfernung“ oder der chemische Begriff der

„multiplen Proportionen“ bedeuten? Damit kann der Geist nichts

anfangen, es kann in ihn nicht eindringen, ihn nicht bestimmen. Er

ist seine eigene Welt. Man sieht bei dem einfachsten Versuche, daß

jede der Seinsordnungen von Grund auf ihre a r t e i g e n e n Be-

stimmungen und Gliederungen hat, daher beide nicht durcheinan-

der bestimmt werden können. Würden sie durcheinander bestimmt,

dann müßte es eine Gezweiung nicht zwischen Denken und Denken,

sondern zwischen Denken und stofflichem Gegenstande geben, was

widersinnig ist. — Ist Stoff in sich durch den Geist nicht bestimm-

bar — selbst im physiologischen Leibe bestimmt die Seele den Leib

nur, indem sie seine stoffliche Gesetzmäßigkeit gewähren / läßt

— so können wir in gewissem Sinne auch nicht zugeben, daß der

Stoff ein Inbegriff von „Potenz“ sei, v i e l e h e r e i n I n b e -

g r i f f d e r I m p o t e n z , und zwar zuerst in dem Sinne, daß

er Geistiges nicht aufnehmen kann; sodann v e r h ä l t n i s m ä -

ß i g auch in dem Sinne, daß er Geistigem nur sehr beschränkt als

Mutterschoß, Grundlage, Werkzeug dienen kann — nämlich nur

nach Maßgabe schon begonnener Gezweiung höherer Ordnung mit

1

Siehe unten Viertes Buch: Geisteslehre, S. 187 ff., und meine Gesellschafts-

philosophie, München und Berlin 1928. — Vgl. auch meinen Aufsatz: Vorrang und

Gestaltwandel in der Ausgliederungsordnung der Gesellschaft, in: Logos, Interna-

tionale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Bd 13, Tübingen 1924, S. 191 ff.

12 Spann 10