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2. B e g r i f f l i c h e U n t e r s u c h u n g

Von unserem Standpunkte aus ist zum Verständnisse der Indivi-

duation die Heranziehung des Stoffes ebensowenig nötig, wie die

irgendeines anderen ideenfremden Einflusses. N a c h d e r G a n z -

h e i t s l e h r e g i b t e s ü b e r h a u p t n u r e i n z i g a r -

t i g e , n u r i n d i v i d u e l l e G l i e d e r ; es gibt aber eben-

so nur Glieder, die das Allgemeine in sich enthalten. Schon von frü-

her steht uns fest, daß der Begriff der Ganzheit die Individualität

ebensowohl wie die Allgemeinheit notwendig bei sich hat. Und da-

her kommen wir zu der Behauptung: daß nicht nur die Einzeldinge

individuell sind, sondern auch die Gattungen, daß aber gleich-

wohl beide auch als Allgemeinheiten zu betrachten sind.

Die Ganzheitslehre bedarf also, um dies zu wiederholen, keiner

ganzheitsfremden Individuationsgrundlage. Im Stufenbau der Ganz-

heiten kann, so zeigt sich, alles Allgemeine nur individuell, alles

Individuelle nur allgemein erscheinen. Inmitten der Allgemeinbe-

stimmtheit aller Wesen gibt es doch nur Individuelles. Denn auf der

Würde des Individuellen bauen sich die Berechtigung und der Sinn

der Ausgliederung auf. Der Satz: „Es gibt nur Individuelles“, um

den der Lebenskampf des Aristoteles gegen Platon ging und auf den

hin man Aristoteles nicht mit Unrecht den „Anwalt der Dinge“

nannte, dieser Satz, in unserem Sinne verstanden, gibt dennoch

dem Platonischen Standpunkte den Vorzug — weil er auch für die

Allgemeinheiten gilt! Auch die Gattung ist individuell, nicht nur

das einzelne Ding, denn auch sie ist in dem Gesamtstufenbau der

Ganzheiten ein unwiederholbares und unersetzbares Glied. Die

Wendung zum Empirismus, die der Aristotelische Satz „alles Wirk-

liche ist individuell“ nahm, indem er ausschließlich auf die Einzel-

dinge ging, ist damit vermieden.

Der Anblick der geistigen und organischen Welt als eines / Glie-

derbaues von lebendig wirksamen Ganzheiten oder Ideen zeigt uns

die Einzelwesen, wie auch die Gattungen zugleich besondert und

allgemein. Die Besonderheit und Einzigartigkeit der Einzelwesen

braucht nicht erst aus der Verbindung der Idee mit dem Stoff erklärt

zu werden, die Individualisierung liegt schon in der Gliedhaftigkeit,

sie braucht nicht erst durch die Materie zu erfolgen. Alles Glied-

hafte ist individuell, ist unwiederholbar, einzigartig und besondert.