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Dagegen kann nach der Ganzheitslehre die sinnfällige Welt nie-
mals der unmittelbare Ausdruck, das heißt ein einfaches Abbild der
Ideenwelt sein. Denn die im Gliederbau der Dinge sich ausglie-
dernde Ganzheit (Gattung) ist selbst wieder Glied höherer Ganz-
heiten (Gattungen), welche alle sich als solche in der sinnfälligen
Welt nicht selbst ausgliedern. (Überdies ist Ausgliederung als solche
niemals Abklatsch, kein Glied eine Verdopplung, ein Doppelgän-
ger
1
.)
Die Ganzheitslehre ist also durch den Begriff der Ausgliederung
vor der „Verdopplung der Welt“ geschützt — „das Ganze wird in
den Gliedern geboren“, das Glied ist daher kein „Doppelgänger“,
ihm ist seine Einzigartigkeit verbürgt.
Eine s o l c h e Vorstellung allerdings, die neben die wirkliche
Welt n o c h e i n m a l eine wirkliche Welt höherer Ordnung /
setzte, wäre eine Verdopplung und ebenso überflüssig als wider-
spruchsvoll. Und es wäre gleich überflüssig und widerspruchsvoll, ob
diese zweite Welt getrennt (transzendent) oder einwohnend (imma-
nent) gedacht wird. Die höhere Welt muß die niedere begründen
und diese Begründung muß gezeigt werden, darauf allein kommt
alles an. Jene Ansicht, die in dem irdischen Geschehen überall den
aufgehenden Samen des Überirdischen erblickt, für die im Uber-
weltlichen die Wurzel des Weltlichen liegt, ist nicht überflüssig und
unnütz, sondern zur Erklärung der Welt unentbehrlich. Es ist keine
zahlenmäßige Zweimal-Setzung, die hier vorgenommen wird, denn
nicht dasselbe wird nochmals gesetzt, nicht die „Überwelt“ n o c h -
m a l s als „Welt“; sondern die im „Vorsein“ befindliche „Ganz-
heit“ oder „überweltliche Idee“ entfaltet sich in dieser Welt und
befaßt sie, das heißt sich selbst in ihrer Entfaltetheit, rückverbin-
dend in sich. Idee und Wirklichkeit verhalten sich dann als Wurzel
und Krone, Grund und Erscheinung. — Dazu kommt die Ge-
zweiung höherer Ordnung, die erkennen läßt, daß die sinnliche
Welt durch die Idee allein gar nicht erklärt werden kann.
Wenn wir sagen, daß es eine Ideenwelt gibt, die als solche wirklich
und wirksam ist, so sagen wir nicht, daß Gott zwei getrennte Wel-
ten geschaffen habe. Es gibt nur eine Welt. Aber diese ist zugleich
sinnfällig und ideenhaft, z u g l e i c h a u s g e g l i e d e r t u n d
1
Vgl. meine Kategorienlehre,
z.
Aufl., Jena 1939, S. 126 ff. und oben S. 39 f.
und 41 f.