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r ü c k v e r b u n d e n . Die sinnfällige Welt darf durch die Ideen-
welt keine Scheinwelt werden. Ihr wird nichts genommen, ihr wird
im Gegenteile gegeben. Sie wird erst wesentlich durch die Idee, die
hier ihr Schicksal nimmt.
/
VII.
Die Wesenslehre der Idee und das Reich der Ideen
Τί δέ προς Δι.ός; ώς άληθώς κίνησιν και ζωήν
χαί
ψηρηχην
καί
φούνηοιν
ή
ραδΐως
πεισθησόμεθα τώ παντελώς όντι μή παρείναι,...
Wie aber, beim Zeus? Sollen wir uns so leicht
überreden lassen, daß in Wahrheit Bewegung
und Leben und Seele und Geist dem voll-
kommen Seienden nicht zukommen?
Platon: Sophistes, 248 e f.
A. Die a l l g e m e i n e n W e s e n s - u n d S e i n s -
b e s t i m m u n g e n d e r I d e e
Platon bestimmte das Sein der Idee, wie oft bemerkt wurde,
nicht ohne Widerspruch. Einerseits erklärt er die Idee als das „An
sich“, das Unbewegliche, Unveränderliche, jedem Werden Ent-
rückte, Einfache, Ewige und darum als das wahrhaft Seiende oder
das reine Sein,
όντως όν
1
;
andererseits erklärt er, daß dasjenige,
was das wahre Sein und den Grund des irdischen Seins bilde, un-
möglich tot sein könne, daß es daher gleich der Seele „Bewegung,
Leben, Seele und Geist“ (Denken) habe
2
. Platon gewann damit
Parmenides gegenüber, der nur das eine, unveränderliche Sein
kannte, und Heraklit gegenüber, der nur das Werden kannte, gleich
sehr eine feste Stellung, indem er in der Idee das reine Sein des Par-
menides, in der Wirklichkeit das reine Werden des Heraklit an-
erkannte. Aber der Widerspruch in der Bestimmung des Seins der
Idee ist damit nicht aufgehoben, sie soll zugleich an sich, unver-
änderlich und zugleich „Bewegung und Leben“ sein. Dies erscheint,
1
Vgl. Platon: Gastmahl, 211 a; Phaidon, 65 d
—66
a; Staat, 447 a, 507 a—c,
597 d; Phaidros, 247 c-248 a. — Vgl. oben S. 403 f.
2
Platon: Sophistes, 248 e ff.